London calling
: Doctor Who’s Weihnachtsbotschaft

taz-Medienredakteur Steffen Grimberg arbeitet im Rahmen eines Journalistenaustausches zurzeit bei der britischen Tageszeitung „The Independent“ in London. In seiner Kolumne schreibt er über die lieben britischen Kollegen – heute zum letzten Mal

„Who is it?“ – „The doctor!“ – „Doctor Who?“ – „Yes, how did you know?“ Der mildverrückte Zeitreisende Doctor Who gehört seit Ewigkeiten zum Stammpersonal der BBC. Was als Kindersendung begann, ist längst Kult. Am ersten Weihnachtstag läuft das „Doctor Who Christmas Special“ zur besten Sendezeit und sorgt schon vorher für Aufregung – auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Denn am 25. Dezember tritt ein neuer Doctor Who an. David Tennant gehört derzeit zu den absoluten Quotengaranten im britischen TV – und soll dem Jungs-Programm endlich auch den Durchbruch bei den Frauen verschaffen. Doch viel wichtiger als aller Sexappeal ist die inhaltliche Weihnachtsbotschaft des Doktors: Krieg ist scheiße.

„Der Weihnachtstag ist ein Tag des Friedens, und wir haben eine klare Anti-Kriegs-Botschaft“, sagt Hauptdrehbuchschreiber Russell T. Davies. Eine Anti-Kriegs-Botschaft, die der Blair-Regierung allerdings überhaupt nicht schmeckt. Offiziell muss Neu-Doctor Tennant eine Invasion der Erde durch fiese Außerirdische abwehren, die mit Weihnachtsmann-Robotern und Killer-Tannenbäumen der friedliebenden Menschheit zu Leibe rücken. Doch gemeint sind natürlich der Krieg im Irak im Allgemeinen und die unterwürfige Haltung von Premierminister Tony Blair gegenüber US-Präsident George W. Bush im Besonderen. Im Film ist der Premier eine Premierministerin – und die sagt über den mächtigen Mann aus Washington: „Er ist nicht mein Boss. Und er wird hier garantiert keinen Krieg anzetteln.“

Wie praktisch, dass Blairs alter Kumpel Alan Milburn gerade eine neue Kolumne in Rupert Murdochs Massenblatt News of the World bekommen hat: „Jetzt zieht Doctor Who ausgerechnet zu Weihnachten über unsere Irakpolitik her. Ehe man sich’s versieht, wird die BBC als Nächstes wohl Saddam höchstpersönlich als Kandidaten bei ‚Strictly Come Dancing‘ haben“, schäumte der ehemaliger Gesundheitsminister in Britanniens größter Sonntagszeitung.

Saddam als Eintänzer in der BBC-Show, die nach „Deutschland sucht den Superstar“-Vorbild den besten Hüftschwung des Landes sucht? Wohl kaum. Milburns Ausbruch ist eher Zeichen, dass Blair & Co. immer noch nicht begriffen haben, wie unabhängige Medien funktionieren. Und Doctor Who’s Weihnachtsbotschaft ein beruhigendes Indiz, dass die BBC allmählich wieder zu sich selbst findet.