Fischer verteidigt Guantánamo-Verhör

Der frühere grüne Außenminister äußert sich erstmals zur CIA-Affäre um Al-Masri-Entführung und BND-Vernehmungen in Folterlagern. Fischer spricht nicht in aller Öffentlichkeit, sondern erklärt sich in einem seltsam verschlüsselten „Zeit“-Gespräch

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Joschka Fischer hatte in seinem vorerst letzten Interview geschworen, für eine ganze Weile den Mund zu halten. „Ich werde hinten im Bundestag sitzen und nachdenken und schweigen“, sagte der frühere grüne Außenminister Ende September in der taz. An diese inszenierte Selbstkasteiung hielt sich Fischer sogar, als im Zuge der CIA-Affäre um den entführten Deutschlibanesen Khaled al-Masri alle Welt von ihm wissen wollte, ob und wann er denn von diesem außerordentlichen Vorfall erfahren hat. Jetzt bricht Fischer sein Schweigen – aber er tut es auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt zur Aufklärung aller Details dieser Affäre beiträgt.

Herausfiltern aus dem Zeit-Gespräch lassen sich folgende Erkenntnisse: Fischer wusste von dem vertraulichen Gespräch Schily-Coats im Mai 2004 nichts. Das Folterlager Guantánamo hält er nach wie vor für einen „katastrophalen Fehler“ der USA. Aber im Kampf gegen den Terrorismus dürfe sich der Rechtsstaat Informationen aus einem solchen Gefängnis holen und zunutze machen. Folter will Fischer damit keineswegs gebilligt wissen. Er verteidigt auch das Verhör des Deutschsyrers Zammar in einem syrischen Foltergefängnis durch BND, BKA und Verfassungsschutz. Im Interesse der Sicherheit des Landes sei das erlaubt. Im Antiterrorkampf lasse sich eine „Grauzone“ nun mal nicht völlig ausschließen.

Das Grundproblem ist die journalistische Form. Fischer hat sich für das Offenbarungsgespräch den Zeit-Korrespondenten Gunter Hofmann ausgesucht. Hofmann zählt zu den intelligentesten und erfahrensten Politikjournalisten des Landes. Dass er die rot-grünen Stars Gerhard Schröder und Joschka Fischer seit Anfang der 80er-Jahre kennt, dass er sie duzt und mit ihnen befreundet ist – geschadet hat das Hofmanns Ruf nie, dazu ist er zu unabhängig geblieben. Aber Hofmann hält auch auf geradezu bewunderungswürdige Art an seinem unzeitgemäßen Journalismus fest. Dazu gehört, den Mächtigen dieses Landes auf Augenhöhe zu begegnen, ihnen zuzuhören, mit ihnen zu diskutieren – seine Aufgabe sieht er nicht so sehr darin, sie unerbittlich auszufragen. Heraus kommen dabei oft journalistische Juwele, die manchmal jedoch einen großen Nachteil haben: Der Leser weiß nicht genau, was jetzt die Gedanken des Politikers und was die des Autors sind.

Schröder und Fischer haben sich diese Methode manchmal zunutze gemacht. Sie wählten Hofmann als Vertrauensperson – nicht in dem Glauben, sie könnten dem gestandenen Journalisten etwa für billige Spin-Doctorei missbrauchen. Hofmann war so eine Art Medium, durch das sie sprachen, sie konnten sich darauf verlassen, dass ihre Gedanken richtig wiedergegeben wurden. Autorisiert wurde hier kein einziger Satz, wörtliche Zitate tauchten in den Texten allerdings so gut wie keine auf. Das machte, im Notfall, das anschließende Dementieren leichter.

Fischer hat in der jüngsten CIA-Affäre auf dieses Vertrauensverhältnis zurückgegriffen. Was in der neuen Ausgabe der Zeit steht, ist also Fischers Sicht auf al-Masri, Guantánamo und BKA-Verhör in Syrien – und zugleich Hofmanns Interpretation von Fischer.

Das liest sich dann so: „Den konkreten Fall Khaled al-Masri sprach er, wie es aussieht, im Zusammenhang mit seiner Grundsatzkritik nicht an. Fischer: Al-Masris wegen wollte Berlin nicht den großen Krach anzetteln. Man habe es vorgezogen, hinter den Kulissen zu ermitteln.“ Oder so: „Hat Berlin für sein Nein im großen Irakkonflikt mit der Kooperation nicht doch einen hohen Preis gezahlt? Einen zu hohen? … Unterschreiben würde er den Satz wohl nicht. Fischer: Es ging nicht anders.“