Stimmvieh für einen Karrieristen

Masseneintritt in CDU-Finkenwerder gerät in immer dubioseres Licht. Die CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Heiko Hecht und Henning Finck sollen in der alevitischen Gemeinde „Zählmitglieder“ geworben haben, um Hechts Karriere zu befördern

von Marco Carini

Der eine schweigt, der andere ist abgetaucht. Wer sich in diesen Tagen von den mutmaßlichen Drahtziehern eines dubiosen Mitglieder-Masseneintritts in den Finkenwerder Ortsverband der CDU Aufklärung erhofft, beißt auf Granit. Während CDU-Ortschef Heiko Hecht bis zum neuen Jahr in Südafrika weilt, gibt Ejdar Tatar sich wortkarg. Ein gestern von der alevitischen Gemeinde einberufenes Pressegespräch, an der auch Tatar teilnahm, geriet zum Presseschweigen.

Doch auch ohne aktive Mithilfe der Hauptbeteiligten lichtet sich allmählich das Dickicht um die ominöse Eintrittswelle und gibt den Blick auf einen CDU-Abgeordneten frei, der nach allen vorliegenden Fakten mit grenzwertigen Tricks seine politische Karriere zu befördern suchte.

Darum geht es: Im November wurde der CDU-Ortsverband Finkenwerder, der bis dato gerade mal 78 Mitglieder zählte, von Beitrittserklärungen überrollt. Mindestens 197 Personen, fast alle türkischstämmige Deutsche und Mitglieder der alevitischen Glaubensgemeinschaft, begehrten das Mitgliedsbuch der Christdemokraten. Kurios dabei: Keiner der Eintrittswilligen stammt aus Finkenwerder. Durch Nachforschungen der CDU-Parteizentrale kamen weitere Merkwürdigkeiten ans Licht. Einige der Aleviten, deren Namen sich auf den Eintrittsformularen befanden, hätten „erklärt, gar keinen Aufnahmeantrag gestellt zu haben, andere gleich mit dem Aufnahmeantrag den Parteiaustritt zum 31. März 06 erklärt“, gab CDU-Landeschef Dirk Fischer gestern bekannt. Zudem hätten 46 Eintrittswillige nicht einmal einen Wohnsitz in Hamburg – sie seien in Schlewig-Holstein oder Niedersachsen gemeldet.

Für die dubiose Eintrittswelle gibt es bislang nur eine logische Erklärung: Der Ehrgeiz des Heiko Hecht. Denn die Aufnahmeanträge gingen in der CDU-Zentrale nur wenige Tage vor dem Stichtag der parteiinternen Mitgliederzählung ein, an dem die Zahl der Ortsverbandsdelegierten für Kreis- und Landesparteitage festgelegt werden. Der von Hecht geführte Ortsverband hätte durch die Aufnahme aller Eintrittswilligen seine Delegiertenzahl in den Parteigremien glatt verdreifacht und Hechts Position damit erheblich gestärkt. Eine Stärkung, die Hecht, der auf einem Landeslisten-Wackelplatz den Einzug in die Bürgerschaft nur knapp erreichte, gut gebrauchen kann: Bei seinem erfolgreichen Kampf um den Verbleib Finkenwerders im Bezirk Hamburg-Mitte brüskierte er die Parteispitze samt Bürgermeister Ole von Beust und isolierte sich dabei weitgehend innerhalb der CDU.

Immer deutlicher wird dabei, dass der Mitglieder-Coup von langer Hand vorbereitet war und von mindestens vier Beteiligten eingefädelt wurde. Seit über einem Jahr tingelten nach Informationen der taz Hecht, Ejdar Tatar, der seit zwei Jahren ein CDU-Parteibuch besitzt, der Rothenburgsorter CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Henning Finck und ein ehemaliges SPD-Mitglied durch die alevitische Gemeinde, um Mitglieder für den CDU-Ortsverband zu werben. Finck, der gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, ist es in den vergangenen Jahren bereits gelungen, seinen Ortsverband durch zahlreiche Neumitglieder erheblich zu vergrößern und damit seine eigene Position zu stärken. K.W. war aus der SPD ausgetreten, nachdem ihr die Partei ein Hausverbot erteilt hatte. Der Vorwurf damals: Die Frau habe einem Parteiangestellten nachgestellt und mehrere Sozialdemokraten beleidigt.

Tatar, der über 100 Eintrittsformulare persönlich in der CDU-Parteizentrale abgegeben und für 70 Eintrittswillige gleich den Mindestbeitrag für mehrere Monate bar bezahlt hatte, räumte gestern vor der Presse nur ein, er habe „als CDU-Mitglied in seinem Bekanntenkreis Parteimitglieder geworben“. Die Frage, ob ihm dafür von Hecht ein politischer Posten in Aussicht gestellt worden sei, beantwortete der Restaurantbesitzer nicht – Empörung über eine haltlose Unterstellung sieht anders aus.

Fakt aber ist: Die Verbindung zwischen Tatar und Hecht gilt als eng. Selbst in der Bürgerschaft, so berichten Augenzeugen, habe der 43-Jährige Hecht aufgesucht: geheimnisvoll hätten beide die Köpfe zusammengesteckt.

Die dilettantische Mitgliederzahl-Manipulation Hechts aber wird keinen Erfolg haben. CDU-Landeschef Fischer erklärte gestern, die Partei werde ihre eigene Satzung in diesem Fall unüblich streng auslegen und den Eintrittswilligen eine Mitgliedschaft nur in den Kreisverbänden gestatten, in denen sie wohnen oder zumindest arbeiten.

Für Hecht dürfte die Stimmvieh-Kampagne das Aus seiner politischen Karriere bedeuten. CDU-Landesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus spekuliert bereits öffentlich darüber, Hecht sei in der Mitglieder-Affäre der „Täter und versucht auf eigene Faust, Mehrheiten zu schaffen“.

Politik sei „ein Job auf Zeit“, hatte Hecht vor kurzem fabuliert. Seine Zeit, so scheint es, dürfte bald abgelaufen sein.