Hacken für den Weltfrieden

Der Chaos Computer Club will das Kriminellenimage der Szene aufpolieren: Wie sich Hacker einen Ruf als idealistische Aktivisten für die Informationsfreiheit schaffen können – darüber diskutierte der CCC auf seinem 22. Jahrestreffen in Berlin

AUS BERLIN DAVID DENK

Journalisten haben einen schweren Stand beim Chaos Computer Club. Daran änderte auch das heute endende 22. Jahrestreffen der Aktivisten nichts. Die strengen Einlasskontrollen und der Hinweis, doch bitte nicht einfach draufloszufotografieren, zeugten von einem Pauschalmisstrauen „den Medien“ gegenüber. Die Hackerszene ist es leid, immer noch als durchweg kriminell gebrandmarkt zu werden.

Ihr Selbstbild sieht anders aus. „Wir sind keine Kriminellen“, stellte Veranstalter Tim Pritlove bei der Eröffnung der Tagung klar und bekam dafür viel Applaus. „Merkt euch das. Beim Hacken geht’s um Freiheit.“ Diese Imagekorrektur bereitet dem CCC jedoch Probleme.

Die restriktive Pressearbeit machte einige Journalisten allerdings misstrauisch – noch bevor sie überhaupt etwas vom Jahrestreffen „22C3“ gesehen hatten. Hat dieser Club vielleicht doch was zu verbergen? Ein Rundgang durch das Tagungszentrum genügte, um den Verdacht zu zerstreuen: Überall junge Männer, die Journalisten offen und unvoreingenommen begegnen, viele tragen Zopf, Vollbart und einen Laptop.

Jule Riede-Buechele war eine der wenigen Frauen unter den 3.000 Teilnehmern des CCC-Jahrestreffens. Die 29 Jahre alte Physikdoktorandin leitet die CCC-nahe Gruppe Wien und traf mit ihrem Vortrag „Data Mining für den Weltfrieden“, einem von 150 in vier Tagen, einen Nerv bei ihren Zuhörern. Sie stellte zur Diskussion, wie man Angst und Hysterie schürende Medienhypes systematisch zerlegen kann.

Unter „Data Mining“ versteht man die Sammlung und Verknüpfung von Daten, um darin ein Muster zu entdecken. Als Beispiel wählte Riede-Buechele das in den Medien immer wieder hochgekochte Bedrohungsszenario durch eine „schmutzige Bombe“. Ihr Vortrag machte deutlich, dass Data Mining hier nicht weiterhilft. Mit der Methode kann man zwar das Kaufverhalten analysieren und daraus wie bei einigen Internet-Buchhändlern persönliche Empfehlungsseiten generieren. Doch gegen Panikmache hilft nur Aufklärung – wenn überhaupt. „Die Leute wollen die Wahrheit gar nicht wissen“, ist Riede-Buecheles Erfahrung. Dabei würde schon eine kurze Google-Suche das Schauermärchen entkräften. „Dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)“, heißt es auf dessen Homepage, „liegen keine Erkenntnisse vor, nach denen ‚schmutzige Bomben‘ in Deutschland eine reale Bedrohung darstellen.“

„Wenn selbst das BfS Entwarnung gibt, kann man wohl nicht mehr machen, oder?“, fragte Riede-Buechele und polarisierte damit. Den einen sprach sie aus der Seele, andere gingen in die Offensive: „Wir haben kein Problem mit der Bild-Zeitung, sondern ein allgemeines Kommunikationsproblem“, argumentierte ein Teilnehmer. Ein anderer schlug vor: „Wir brauchen eine Marketingabteilung, um den Mann auf der Straße zu informieren.“

Davon hält Veranstalter Tim Pritlove, nichts: „Eine Organisation, die sich eine Marketingabteilung zulegt, ist schon verloren.“ Der CCC sei nur ein loser Verband, der im Kampf für die Informationsfreiheit sein Bestes gebe. „Wir sind nicht allmächtig“, sagt Pritlove, „aber auch nicht unfähig.“ Zur in der Diskussion angeklungenen Hacker-Depression sieht er eine erfreuliche Gegenbewegung: „Die Szene hat sich durch den Ascheregen der Terrorgesetze in den letzten Jahren deutlich politisiert.“ Natürlich könne der CCC nicht jeden erreichen und setze daher auf den „aufklärungsbereiten Teil der Gesellschaft“. Resignieren lasse ihn dies jedoch nicht: „Lieber stelle ich meine Meinung in den Wettbewerb als in die Besenkammer.“