Zapatisten treten Reise durch Mexiko an

Eine Delegation der indigenen Bewegung mit dem Subcomandante Marcos an der Spitze plant, auf einer sechsmonatigen Rundreise im mexikanischen Wahljahr für ihre pazifistische Initiative zu werben. Ganz ungefährlich ist das Projekt nicht

AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL

Aufgeregte Stimmung in San Cristóbal de las Casas: Zahlreiche Sympathisanten der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) erwarteten gestern einen Konvoi der Rebellen in der Provinzstadt im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas. Angekündigt hatte sich der Sprecher der indigenen Organisation Subcomandante Marcos. Pünktlich zum neuen Jahr und am frühen Morgen, so der Plan, sollte sich Marcos aus einem EZLN-Quartier im Lakandonischen Regenwald auf den Weg Richtung San Cristóbal machen, um sich in den kommenden Monaten mit oppositionellen Gruppen aus ganz Mexiko zu treffen. Doch der Weg aus dem Dschungel ist beschwerlich. Bis zum Mittag war die Delegation noch nicht in dem kolonialen Touristenstädtchen angekommen.

Ein halbes Jahr lang soll die Rundreise dauern, in der Marcos alle 32 Bundesstaaten Mexikos besuchen will. Die Zapatisten hatten dieses Vorhaben bereits im vergangenen Sommer angekündigt. In ihrer „Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“ warb die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung für eine pazifistische bündnispolitische Initiative. Mit dem Ziel „von unten und für die von unten“ soll in einer mexikoweiten Allianz der Linken „eine Alternative zur neoliberalen Zerstörung“ erarbeitet und eine neue Verfassung formuliert werden. Daraufhin reisten etwa tausend Vertreterinnen und Vertreter von indigenen Organisationen, Gewerkschaften, Bauernverbänden sowie kleineren linken Gruppen nach Chiapas. In den von der EZLN kontrollierten Gebieten diskutierten sie über die „andere Kampagne“, wie die Zapatisten ihre Initiative in ausdrücklicher Abgrenzung zum derzeitig stattfindenden Präsidentschaftswahlkampf nennen.

Der Vorschlag war zunächst auf geteiltes Echo gestoßen, da sich Marcos mit scharfen Worten gegen die gemäßigte linke Partei der Demokratischen Revolution (PRD) und deren aussichtsreichen Präsidentschaftsanwärter Andres Manuel López Obrador gewandt hatte. Schließlich gilt der PRD-Mann vielen Linken als Hoffnungsträger für die Wahl im Juli 2006. Die Zapatisten jedoch werfen López Obrador vor, er verfolge „neoliberale Ziele“. Die EZLN-Initiative dagegen bewege sich jenseits wahlpolitischer Erwägungen. Die Aufregung legte sich erst, nachdem die EZLN bereit war, PRD-Befürworter in der „anderen Kampagne“ zu respektieren. Viele setzen nun auf beide Wege. So etwa Fernando Amezcoa Castillo von der kampfstarken Gewerkschaft der Elektrizitätsarbeiter SME. „Kurzfristig müssen wir sehen, welche konkrete Forderungen auf parlamentarischer Ebene durchsetzbar sind, langfristig werden wir uns mit den zapatistischen Compañeros für eine grundsätzliche Veränderung organisieren“, erklärte der SME-Sprecher der taz.

Eine Woche lang wird Marcos in verschiedenen Gegenden von Chiapas verweilen, um dann über die Halbinsel Yucatán Richtung Norden weiterzuziehen. Mitte April wird er in Mexiko-Stadt erwartet, am 26. Juni – eine Woche vor den Präsidentschaftswahlen – will der Subkommandant wieder in die zapatistische Heimat im mexikanischen Südosten zurückkehren. Um Konfrontationen zu vermeiden, bat Marcos alle anderen „revolutionären politisch-militärischen Organisationen“ des Landes, die Fahrt durch deren Einflussgebiete nicht zu behindern. Ganz ungefährlich ist das Unternehmen nicht. Zwar hat die EZLN seit ihrem zwölftägigen Aufstand im Januar 1994 kaum mehr von den Waffen Gebrauch gemacht, trotzdem gilt Marcos als Guerillero. Bislang begrüßten Parteien und staatliche Institutionen jedoch mehrheitlich die pazifistische Initiative.

Das Innenministerium garantierte Bewegungsfreiheit in der gesamten Republik, und das Bürgermeisteramt in San Cristóbal hieß die EZLN-Delegation vorab willkommen. Die PRD-Führung wünschte der Delegation „Glück auf ihrer Rundreise“ und bekräftigte, dass man die Rebellen nicht als „unsere Feinde oder Gegner“ betrachte. Die Zapatisten geben nichts auf solche Annäherungen. „Von denen, die uns immer mit Missachtung und Arroganz begegnet sind, erwarten und fordern wir nichts“, schrieb Marcos letzte Woche. Zudem verwiesen die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung und die örtliche Menschenrechtsorganisationen auf vermehrte Militärbewegungen in Chiapas.

Der Subkommandant Marcos, der wie immer auch jetzt vermummt auftritt, wird unbewaffnet reisen. Für den Fall, dass es zu Angriffen auf die Delegation kommen sollte, hat der als Pfeifenraucher bekannte Guerillero seinen Mitreisenden klare Anweisungen gegeben: „Weglaufen, sich in Sicherheit bringen, informieren, verbreiten, mobilisieren, mir Tabak schicken.“