Glühwein in Sektgläsern

Die Kunst des Maßhaltens, wissenschaftlich erforscht: Die Glasgröße beeinflusst, wie viel wir uns einschenken

Punsch ist passé, Silvestersekt auch. Wer im Dezember den monatsüblichen alkoholischen Versuchungen erlegen ist und sich morgens über deren Wirkung gewundert hat, sollte den Januar nutzen, über das Maßhalten nachzudenken. Anstoß dazu geben US-Forscher, die Beunruhigendes herausgefunden haben: Trinker werden getäuscht, und zwar von sich selbst.

Der New Yorker Ernährungsforscher Brian Wansink bat 193 Studenten und 86 Barmixer, jeweils dieselbe Menge eines alkoholischen Getränks in zwei verschieden geformte Gläser zu gießen. Das Ergebnis: In kurze und dafür breite Gläser schenkten die Probanden unwillkürlich mehr ein als in längliche und schmale – bis zu 30 Prozent.

„Menschen glauben, längliche Gläser enthielten mehr Flüssigkeit als breitere mit demselben Volumen“, interpretiert Wansink die Überdosierung. „Sie orientieren sich beim Eingießen mehr an der Höhe des Glases als an der Breite.“ Grund sei eine optische Täuschung, die nicht nur im fortgeschrittenen Trinkstatium auftritt: Vergleicht man eine horizontale Linie mit einer gleich langen vertikalen, erscheint die vertikale länger.

Für eine Trinkernation wie die deutsche ist diese Erkenntnis bedenkenswert. Die Gastronomie könnte sparen, wenn Barkeeper durchgängig lange Gläser benutzen würden. Und Weihnachtsmarkt-Kunden könnten dem Kater vorbeugen, wenn sie beim nächsten Mal eine wichtige Regel einhalten: Punsch bitte nur noch in Sektgläsern. MICHAEL AUST