Nation der Jobkünstler

Deutschland wandelt sich in eine Gesellschaft der Kleinselbständigen und Teilzeitjobber. Trend zum Zweiteinkommen

VON BARBARA DRIBBUSCH

Ein paar Sieger auf dem Jobmarkt 2006 stehen schon jetzt fest: Gut dran sein werden jene, die in Unternehmen ackern, die Trikots, Bälle oder Fußballschuhe vertreiben oder bewerben oder sonst irgendwas mit der Weltmeisterschaft 2006 zu tun haben. In diesem Feld kündigen die Analysten ein sattes Plus an. Ansonsten ist eine Wende auf dem Arbeitsmarkt nicht zu erwarten – es gibt jedoch einige neue Trends.

Generell rechnen die Wirtschaftsforscher für dieses Jahr mit einer leichten konjunkturellen Belebung. Die Arbeitslosenzahlen dürften aber kaum zurückgehen, so das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Auch die Zahl der Erwerbstätigen wird sich wohl nur um 60.000 erhöhen. Und selbst das ist noch ungewiss. 2005 ist der Anteil der Erwerbstätigen um 121.000 gesunken, das Nürnberger Institut hatte viel geringere Verluste vorhergesagt.

„Die einzelnen Beschäftigungsformen entwickeln sich weiterhin sehr unterschiedlich“, kündigen die IAB-Forscher an. So steige die Zahl der Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen weiter, wenngleich es nicht mehr so viele Neugründungen geben wird wie in den beiden vergangenen Jahren, als die Ich-AGs boomten. Auch der Anteil der Teilzeitstellen dürfte erneut zunehmen, so die Experten. Bei den Minijobs rechnen die Forscher nicht mehr mit einem nennenswerten Anstieg. Im abgelaufenen Jahr war die Zahl der geringfügig Beschäftigten sogar rückläufig. Wichtig bleiben nach wie vor die 1-Euro-Jobs: Sie bringen inzwischen fast 10 Prozent der Langzeitarbeitslosen befristet in eine Beschäftigung.

Wer einen Job sucht, kann also weniger auf eine insgesamt positive Entwicklung als auf individuelles Glück hoffen. Immerhin verschwinden ein Achtel der Arbeitslosen allmonatlich aus der Statistik – oder kommen neu hinzu. Mancher, der nach einer Beschäftigung fahndet, wird sich in diesem Jahr aber wohl mit einem Teilzeitjob oder dem Kleinunternehmertum zufrieden geben müssen. Immerhin 4,3 Millionen Leute sind inzwischen als Selbständige oder sogenannte mithelfende Familienangehörige von Selbständigen tätig. Doch viele der neuen GründerInnen scheitern laut IAB an Auftragsmangel, oft erzielen sie auch nur geringe Erträge.

Das wirft für 2006 die interessante Frage auf, wie sich die „Mischeinkommen“ entwickeln, man könnte auch sagen: die ganz privaten „Kombilöhne“, die sich aus einem geringen Erwerbsentgelt plus dem Einkommen eines Partners, einer Partnerin, einem Zweitjob oder eben dem Arbeitslosengeld II zusammensetzen. Dabei hat nicht jeder schlecht verdienende Kleinselbständige einen gut gestellten Partner. Bisher schon gibt es 650.000 Haushalte in Deutschland, die neben einem Einkommen aus Erwerbsarbeit noch Arbeitslosengeld II beziehen.

Zum Lottogewinn auf dem Arbeitsmarkt werden bei dieser Entwicklung die sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen. Die IAB-Forscher prognostizieren für 2006 eine weitere Schrumpfung dieser Jobs um 200.000. Die heißbegehrten, kündigungsgeschützten Stellen verringern sich auch wegen des strukturellen Wandels: Die Bedeutung der Wirtschaftszweige mit hoher Vollzeitquote, nämlich der produzierenden Gewerbe, nimmt ab. Der Rückgang der Vollzeitstellen ist zwar nicht mehr so stark wie im vergangenen Jahr, bleibt aber dramatisch, weil gerade diese Jobs mit ihren Beiträgen die Sozialkassen füllen.

In welchen Branchen ist aber nun mit neuen Stellen, egal welcher Form, zu rechnen? Fest steht: Die Jobs finden sich nicht unbedingt dort, wo man sie aufgrund von positiven Unternehmensbilanzen vermutet. Auch wenn die Exportwirtschaft boomt, entstehen beispielsweise im produzierenden Gewerbe kaum neue Arbeitsplätze.

Schreibt man den Trend von 2005 fort, so werden vor allem in den kleinen und mittleren Firmen der unternehmensbezogenen Dienstleistungen neue Jobs geschaffen. Dazu zählen etwa die betriebswirtschaftliche Beratung, das Software-Consulting, Callcenter, Werbung und Marketing. Den Angehörigen der „Generation Praktikum“, die einen vernünftigen Berufseinstieg suchen, macht das Magazin Karriere mit einer Umfrage Mut. Danach wollen 600 der wichtigsten Arbeitgeber in Deutschland in diesem Jahr 20.000 Nachwuchskräfte einstellen, darunter beispielsweise Wirtschaftsingenieure, Juristen oder Software-Berater.

Vielerorts drückt der Wettbewerb jedoch Preise und Entgelte. Schon heute ist es beispielsweise in Berlin gang und gäbe, dass Bauingenieure in krisengeschüttelten kleinen Firmen zu Beginn nur 1.600 Euro brutto verdienen. Im Einzelhandel kommen Verkäuferinnen oftmals nur noch auf einen Stundenlohn von 5 Euro die Stunde. Deswegen dürfte der Ruf nach einem Mindestlohn in diesem Jahr wieder lauter werden. Auch wenn die konkrete Arbeitsmarktpolitik 2006 eher langweilig sein könnte – die politischen Debatten werden es nicht.