Kombilohn ab 2007? Ungewiss

Die CDU drückt beim Kombilohn auf die Tube – am liebsten soll ein Gesetz noch bis Mitte dieses Jahres her. Die SPD will lieber diskutieren. Auch die Wirtschaftsexperten mahnen zur Vorsicht. Die wichtigste Frage ist noch offen: Was bringen Kombilöhne?

VON ULRIKE WINKELMANN

Anfang kommender Woche erst soll auf der Klausurtagung des Kabinetts die Arbeitsgruppe zum Thema Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden. Die soll, so hat es Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) längst angekündigt, den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag erfüllen und sämtliche arbeitsmarktpolitischen Instrumente überprüfen – auf dass „spätestens im Jahr 2007 die aktive Arbeitsmarktpolitik insgesamt grundlegend neu ausgerichtet“ werden kann.

Doch möchte die Union das Thema zuvor als ihres besetzen. Und bis zur Kabinettsklausur ist ja noch etwas Zeit, die Idee „Kombilöhne“ zu ventilieren. Die sollen Jobs schaffen.

Nachdem also zum Jahreswechsel der Spiegel schrieb, es gebe bereits ein gültiges SPD-Papier zu Kombilöhnen, fühlte sich der SPD-Arbeitsmarktpolitiker Klaus Brandner missverstanden und warnte erst einmal vor „Schnellschüssen“. Derweil hatte der CDU-Wirtschaftspolitiker Laurenz Meyer jedoch bereits ein Gesetz zur Mitte des Jahres 2006 angekündigt. Und gestern führte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla schon die Details aus: Entscheidendes Kriterium für die Bewilligung staatlicher Lohnzuschüsse müsse ein geringer Stundenlohn sein, nicht das Monatseinkommen, sagte Pofalla den Ruhr Nachrichten. Gefördert werden müsse der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber.

Doch nicht nur die SPD will erst diskutieren. Sämtliche erreichbaren Arbeitsmarktforscher erklärten gestern, Kombilöhne eigneten sich nicht für fröhliche Jetzt-geht’s-los-Fanfaren. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, sagte, die in Kombilöhne gesetzten Hoffnungen seien „maßlos überzogen“. Auch die Arbeitgeber meldeten Skepsis. Der Vizechef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Peter Clever, sagte: „Eine flächendeckende Lohnsubventionierung ist unbezahlbar und unsinnig. Sie würde zu Missbrauch und Mitnahmeeffekten einladen.“

Grundsätzlich werden sich Politik und Experten darauf einigen müssen, welche Art der existierenden Kombilöhne ausgebaut wird. Denn „neu“ ist das Instrument nicht. Die Republik hat Millionen Kombilöhner, die einen mageren Lohn staatlich bezuschusst bekommen. Hierzu zählen nicht nur die rund 6,7 Millionen 400-Euro-„Minijobber“, deren Sozialbeiträge der Staat bezahlt. Auch die Einkünfte der bald 300.000 1-Euro-Jobber bestehen aus einem Mini-Stundenlohn und dem Arbeitslosengeld II. Über das Hartz-IV-Gesetz werden außerdem die Einkommen von über 600.000 Geringverdienern aufgestockt.

Direkt an Arbeitgeber fließen Eingliederungs- und Einstellungszuschüsse für die Beschäftigung von rund 60.000 Arbeitslosengeld-I-Empfängern. Diese Maßnahme bezeichnete der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, zum Beispiel gestern erst als sinnvoll. Im Unterschied dazu wurde den vielen regionalen Modellversuchen der vergangenen Jahre, in denen tausende von Niedriglöhnern oder ihre Arbeitgeber auf ausgeklügelte Weise gesponsert wurden, meist bescheinigt, dass sie bestenfalls kurzfristig nützlich gewesen seien.

Wenn nun die große Koalition diesen bereits beträchtlichen Niedriglohnsektor noch verbreitern möchte, wird sie an vielen Gesetzen gleichzeitig ansetzen können und müssen. Da die Mittel begrenzt sind, dürften die Koalitionäre ihre Zielgruppen begrenzen – Ältere etwa, Alleinerziehende oder alle Langzeitarbeitslosen. Und spätestens wenn Gewerkschaften und SPD verlangen, nicht nur über Mini- und Winz-, sondern auch über gesicherte Mindestlöhne zu sprechen, gibt es einen schönen großen Koalitionskrach.