Schwarzes Gold füllt schwarze Kassen

In einem Jahr sollen im einstigen Bürgerkriegsland Angola historische Wahlen stattfinden. Mit Öleinnahmen in Milliardenhöhe müsste dem Land eine rosige Zukunft blühen. Aber stattdessen blüht die Korruption, während die Bevölkerung in Armut lebt

Nach Jahrzehnten des Krieges ist der Wiederaufbaubedarf in Angola riesig

AUS LUANDA MARTINA SCHWIKOWSKI

Straßenkinder wohnen in Ruinen, Behinderte betteln an teuren Autos in verstopften Kreuzungen. Angolas Hauptstadt Luanda quillt über: 4 der 15 Millionen Einwohner des Landes leben schon hier, drei Jahre nach dem Ende des angolanischen Bürgerkrieges strömen immer mehr Menschen in die heruntergekommene Metropole. Die soziale Schere klafft weit auseinander im öl- und diamantenreichen Angola, einem der ärmsten Länder der Welt mit einer der reichsten kleinen Oberschichten.

„Die große Korruption verhindert das Funktionieren des Landes“, gibt Miguel Bastos de Almeida zu, Sprecher des Finanzministers. Erstmals hat sein Ministerium letztes Jahr einen Haushaltsüberblick veröffentlicht. „Wir können nur aufzeigen, was bei uns ankommt“, sagt er. Die wirkliche Korruption finde auf den Ölplattformen im Meer und auf höchster Ebene statt. Angola ist nach Nigeria der zweitgrößte Ölproduzent in Afrika südlich der Sahara. Vor der Küste Angolas im Atlantischen Ozean produzieren internationale Ölfirmen mehr als 1 Million Barrel pro Tag, bei steigenden Ölpreisen. Die britische Anti-Korruptions-Organisation „Global Witness“ schätzt Angolas Öleinnahmen für 2005 auf etwa 6,9 Milliarden US-Dollar.

Angolas Wirtschaft dreht sich um die staatliche Ölfirma Sonangol, die ihre Geschäfte direkt mit dem Präsidenten Jose Eduardo dos Santos ausmacht. Da kommt das Geld her, und deswegen hat Angola ein Pro-Kopf-Einkommen von 1.000 US-Dollar, das sich allerdings in der Realität fast ausschließlich auf die Elite verteilt, die hohe Preise für Importprodukte bezahlt. Weil ein weltweites Netz von Offshore-Konten die Millionen aus den Ölgeschäften verwaltet, kommen große Summen nie in der Zentralbank an, in der es auch an internen Kontrollen hapert. Dazu gehören die erheblichen Provisionen, die ausländische Ölfirmen zahlen, um die Rechte zur Ölförderung zu erhalten – „signature bonus“ genannt. 25 Prozent der Ölprofite gehen laut Weltbank an die Regierung. Der Rest fließt ins Ausland.

„Es könnte mehr Transparenz geben, wenn Ölfirmen ans Finanzministerium und nicht direkt an die Regierung zahlten und wir an Verhandlungen über Konzessionen beteiligt würden“, klagt Bastos de Almeida mit dem Hinweis, dass sein Boss zu den Reformern in der Regierung zähle. Aber mit Sonangol legt man sich wohl nicht gern an.

Statt den Privatsektor zu stärken, halten die Ölgelder marode Staatsfirmen am Leben. Nach Jahrzehnten des Krieges ist der Wiederaufbaubedarf in Angola riesig: Es gibt außerhalb der Hauptstadt keine ordentlichen Straßen, keine Arbeitsplätze, kaum Schulen. 45 Prozent der Kinder sind laut UN-Welternährungsprogramm unterernährt.

Aber für humanitäre Hilfe gibt Angolas Regierung im Jahr 60 Millionen US-Dollar aus – verschwindend wenig im Vergleich zur Arbeit der UN-Hilfswerke und vor allem angesichts der enormen Öleinnahmen, die am Staatshaushalt vorbeifließen. Laut einem Bericht des Internationalen Währungsfonds von vor drei Jahren soll ein Viertel des jährlichen Haushaltes nicht verbucht sein: etwa 8,5 Milliarden US-Dollar 1997 bis 2001.

Einblick in die Sonangol-Konten gab es erstmals 2002, nach dem Ende des 27-jährigen Bürgerkrieges zwischen der einst sozialistischen Regierung und den Rebellen der Unita (Nationale Union für die totale Unabhängigkeit Angolas). Die internationalen Prüfer der Firma KPMG fanden ein mangelhaftes Erfassungssystem für Daten und hohe Inkompetenz bei Buchungsprozessen. Das gilt auch für die Zentralbank. Die Regierung veröffentlichte lediglich 2003 eine beschönigte Form des KPMG-Berichts und die Empfehlungen der Gutachter 2003. Seither gab es laut „Global Witness“ keine Offenlegung der Sonangol-Konten oder weitere Prüfung. „Der Internationale Währungsfonds behauptet, mehr akkurate Wirtschaftsdaten zu erhalten, aber Angola hat keinen wirklichen Schritt zur Transparenz gemacht“, sagt Sarah Wykes, Sprecherin bei Global Witness. Das gelte auch für die Diamantenindustrie. Auf großen Gebieten werde unter Kontrolle der Regierung geschürft und angeblich Diamanten im Werte von einer Million Dollar pro Tag aus dem Land geschmuggelt.

Weil die internationalen Geldgeber sich zurückhalten, kann China als Finanzier einspringen. Peking half Luanda im vergangenen Jahr mit einem Kredit von 2 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau. Die Kehrseite: Angola muss in Erdöl zurückzahlen – und nur 30 Prozent der Arbeitsaufträge gehen an Einheimische. Ölkredite sind teurer als Geldanleihen bei Entwicklungsbanken, und niemand erfährt, was mit dem Geld passiert.

Bornito de Sousa, Fraktionschef der Regierungspartei MPLA (Angolanische Volksbefreiungsbewegung), gibt zu, dass die soziale Situation schlecht ist, und redet von großen Mühen um Verbesserung. Viele Angolaner sind allerdings voller Misstrauen, was die Zukunft betrifft. Ende dieses Jahres oder Anfang 2007 sollen Wahlen stattfinden. Unita-Abgeordneter Abel Chivukuvuku ist sich sicher, dass der mit 63 Jahren noch junge Präsident Eduardo dos Santos wieder antreten wird. Dos Santos dränge jeden an den Rand, der ihm zu mächtig werde. Und solange er bleibt, werde sich nichts ändern, meint Justino Pinto de Andrade, Direktor der katholischen Wirtschaftsfakultät in Luanda: „Es fehlt an politischem Willen, das Land zu entwickeln. Der Präsident hat ein enges Netz um Wirtschaft und Macht geknüpft. Entwicklungspolitik? Eine schöne Theorie für die Geber.“