Norwegen kämpft mit Reichtum

Steigende Ölpreise schwemmen immer mehr Geld in den norwegischen Ölfonds

STOCKHOLM taz ■ Jeder Norweger ist reich – auf dem Papier. Rein rechnerisch gehören ihm inzwischen 40.000 Euro am staatlichen Ölfonds, der 2006 auf 240 Milliarden Euro anschwellen soll. Seit 1996 speist Norwegen seine Ölerlöse nicht mehr vollständig ins laufende Staatsbudget ein, um nicht die Inflation auf Rekordhöhe zu treiben. Stattdessen wird das Geld in ausländischen Aktien und Obligationen investiert; 2005 warf der Fonds eine Rekordrendite von 10 Prozent ab.

Damit hat der norwegische Ölfonds inzwischen den US-Pensionsfond der öffentlichen Angestellten in Kalifornien abgehängt – einer der mächtigsten Akteur auf den internationalen Finanzmärkten. Auch den größten europäischen Pensionsfonds – der öffentlich Bediensteten der Niederlande (ABP) – werden die Norweger demnächst überholen und dann nur noch hinter der staatlichen japanischen Pensionskasse rangieren.

Trotz der Rekordrendite von 10 Prozent bricht in Norwegen immer wieder die Diskussion auf, ob man künftigen Generationen nicht lieber größere Teile des Öls im Meeresboden vererben sollte, anstatt unsichere Finanzfonds zu hinterlassen. Als eine breite Parteienkoalition vor drei Jahrzehnten die nationale Ölpolitik festschrieb, galt noch das Motto einer „maßvollen“ Förderpolitik, mit der die Vorräte so weit wie möglich gestreckt werden sollten. Der damalige Ministerpräsident Trygve Bratteli: „Wir werden gute Haushälter sein.“ Die Vorsätze hielten jedoch nicht lange angesichts der wachsenden Begehrlichkeiten in der Bevölkerung: warum sparen, wenn wir auf einem Vermögen sitzen? Armut ist auch in Norwegen kein Fremdwort. Zudem ist der norwegische Staat nicht der einzige Akteur. Die Suche nach möglichen Vorkommen wurde zum Teil auch von ausländischen Ölkonzernen finanziert – im Gegenzug erhielten sie dafür garantierte Förderrechte, die nicht einfach beschränkt werden können.

Dennoch wurde in der Vergangenheit das Fördertempo gedrosselt – im Einklang mit den Opec-Ländern, zu denen Norwegen nicht gehört –, um globale Überproduktionen und Preiseinbrüche zu vermeiden. Die EU-Kommission hat dagegen 1999 protestiert: Dies würde den europäischen Wirtschaftsabkommen widersprechen. Stichwort: Verstoß gegen das Prinzip der freien Konkurrenz. Denn die Norweger sind das zweitgrößte Ölexportland der Erde; künstliche Förderbeschränkungen würden daher durchgreifende Folgen für die Weltwirtschaft haben.

So bleibt den Norwegern nur, die Suche und Erschließung neuer Ölvorkommen zu verlangsamen, um den Reichtum zu strecken. Dies fordern traditionell die konservativ-grüne Zentrumspartei und die rot-grünen Linkssozialisten, die nun erstmals seit dem vergangenen Herbst in einer Koalitionsregierung sitzen. Sie wollen die Förderung in Nordnorwegen nicht nur aus ölpolitischen, sondern auch aus ökologischen Gründen deutlich beschränken.

Nur im Norden und vor allem in der Barentssee wird Norwegen noch 50 bis 60 Jahre lang Öl und Erdgas fördern können. Denn die südlichen Vorkommen in der Nordsee versiegen langsam und dürften in 20 Jahren erschöpft sein. Schon jetzt sinkt die Fördermenge deutlich. Lag die Tagesförderung 2001 durchschnittlich noch bei 3,2 Millionen Barrel, ist sie im vergangenen Jahr auf 2,56 Millionen Barrel gefallen. REINHARD WOLFF