Das dreifache Opfer

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Susanne Osthoffs Martyrium

Alle möglichen Selbstberufenen sehen sich bemüßigt, Frau Osthoff untersagen zu wollen, zu reisen, wohin sie will. Hinterbänkler der Koalition fordern die Iraker auf, Frau Osthoff mit Einreiseverbot zu belegen. Ihr wird angedroht, für behauptete staatliche Mühen bezahlen zu müssen. Allen voran der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, der bekannt dafür ist, dass er beim freien Reden mit der Syntax kämpft.

Ihr Interview mit einer ZDF-Ansagerin wird als „wirr“, als Ausdruck „extremer Traumatisierung“ gedeutet. Wer in den Medien auf sich hält, lässt psychiatrisierende Ferndiagnostiker zu Wort kommen. In einer Berliner Tageszeitung entblödet sich eine Professorin nicht, Frau Osthoff als „pychotisch“ zusammengebrochen, paranoid gefärbt, „geistig zerfahren“, nicht ausschließbar schon vor der Entführung als „psychisch krank“ zu beurteilen. Osthoffs Antworten in dem ZDF-Interview werden als „paralogisch“ und „tangential“ verleumdet. Der Boulevard hetzt öffentlich gegen angebliche Rückkehrabsichten der Frau in den Irak, wo sie seit vielen Jahren lebt.

Ich habe mir Osthoffs ZDF-Interview angesehen: Die Frau ist verbittert. Dazu hat sie vielfachen Anlass. Sie verbittet sich die öffentliche Inanspruchnahme ihres Schicksals, die Krokodilstränen ihrer Verwandtschaft, mit der vor der Entführung jahrelang kein Anlass bestand, Kontakt zu halten. Sie beschwert sich über einen Vermieter, der sie zwangsgeräumt und die Rückkehr in ihren Heimatort unmöglich gemacht hat. Sie beschwert sich über einen Pfennigfuchser in der Bagdader Botschaft, der sie mit der Abrechnung lächerlicher 15.000 € behelligt mit Belegnachweisen in einem Lande, in dem Belege nicht zu beschaffen sind. Sie beschwert sich darüber, dass die, die ihre Arbeit nie richtig unterstützt haben, jetzt mit dem Entzug nicht gewährter Unterstützung drohen und unerbetene Ratschläge erteilen. Ihre Sprachkompetenz übersteigt deutlich das Gestammele, das gewerbsmäßige Ansager im Fernsehen ohne Souffleuse zustande zu bringen pflegen.

Die wahre Sauerei ist: Die Frau wird entführt und unter Ausnutzung ihrer Wehrlosigkeit und ihres Ausgeliefertseins öffentlich entblößt. Als sich nach ihrer Rückkehr erweist, dass sie anders ist als die Sesselfurzer im AA, als die Mainstream-Journalisten und deren deutsche Leserschaft, wird sie niedergemacht bis hin zu der Forderung deutscher Parlamentarier an einen ausländischen Staat, für sie ein Einreiseverbot auszusprechen. Was hat die Frau eigentlich verbrochen? Wer das Unglück hat, im Ausland entführt zu werden, darf erwarten, dass sich das Außenamt, das der deutsche Steuerzahler genau für diesen Zweck üppig finanziert und dessen Angehörige astronomisch hohe Gehälter beziehen, still und ohne orchestrierendes Politikergefasel um die Freilassung kümmert und dass es ihn nachhaltig vor journalistischen Nachstellungen schützt. Schließlich kann sich das Entführungsopfer nicht wehren. Und nach einer Freilassung geht das Opfer die Medien und Politiker nichts, aber auch gar nichts mehr an. JONY EISENBERG