Natur darf nicht mehr in den Tee

Das Landesgesundheitsamt in Brandenburg stuft einheimische Kräuter als Arzneimittel ein und verbietet Bauern das Sammeln und den Verkauf. Die Landwirte wollen sich nun gerichtlich wehren

VON MARINA MAI

Das Landesgesundheitsamt in Brandenburg geht gegen Kräuterbauern vor. Wegen angeblichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz hat es unter anderem gegen den Landwirt Thomas Beutler Strafanzeige gestellt. Beutler sammelt in seinem Agrarbetrieb in Belzig wild wachsende Kräuter und Früchte, verarbeitet sie zu Tees, Fruchtaufstrichen und Fruchtsäften und verkauft sie. Diese Tees aus Birkenblättern, Johanniskraut, Weißdornbeeren und sieben weiteren Kräutern und Wildfrüchten seien jedoch keine Lebens-, sondern Arzneimittel, so das Landesgesundheitsamt. Der Landwirt besitze jedoch keine Herstellungserlaubnis für Pharmaprodukte. Auch verfüge er nicht über die gesetzlich geforderte Qualifikation und Sachkenntnis, heißt es in einem Schreiben des Amtes an den Landwirt.

Nach Auskunft von Beutler wurden gegen fünf weitere Kräuterbauern und -händler in Brandenburg Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Zuerst fordern uns die Behörden auf, bestimmte Pflanzen aus dem Sortiment zu nehmen. Kommt man der Aufforderung nicht nach, folgt die Strafanzeige.“ Auf 200 bis 300 schätzt Beutler die Zahl der Bauern in Brandenburg, die wie er einheimische Kräuter und Wildpflanzen sammeln und verarbeiten. „Hinzu kommen große Fruchtbetriebe, denen das Gesundheitsamt untersagte, Weißdornbeeren, Spitzwegerich und Zitronenmelisse in Marmeladen und Gelees zu mischen.“

Auch kleine Touristenläden, die die Naturprodukte verkaufen, sind betroffen. Etwa das Geschäft von Peter Donisch in Belzig. Er protestiert gegen das Vorgehen des Amtes: „Ich habe die Kräutertees in meinem Laden als unverkäufliche Arzneimittel ausgestellt, um die Behörden lächerlich zu machen.“ Landwirt Beutler sieht in dem Vorgehen des Landesgesundheitsamtes wirtschaftliches Kalkül: „Das Amt schafft mit seiner Rechtsauslegung der Pharmaindustrie lästige Mitbewerber vom Hals und zerstört hunderte Arbeitsplätze im ländlichen Raum.“

Das weist Claudia Szczes, die Sprecherin des Brandenburger Gesundheitsministeriums, strikt zurück: „Uns geht es um den Patienten- und Verbraucherschutz, nicht um die Interessen der Pharmaindustrie.“ Nach Auffassung ihrer Behörde seien die Kräutermischungen Arznei- und keine Lebensmittel. „Das Thema befindet sich derzeit aber in einer behördeninternen Überprüfung.“ Die SPD-Regierungsfraktion im Brandenburger Landtag kritisiert die Landesbehörde. „Hier wird im Interesse der Pharmaindustrie überreguliert“, sagt der Fraktionschef und ehemalige Gesundheitsminister Günter Baaske. Seine Fraktion will jetzt das Thema auf die Tagesordnung des Fachausschusses für Bürokratieabbau, Normen und Standards setzen.

Thomas Beutler will sich nun juristisch zur Wehr setzen. „Ich habe diesen Beruf ergriffen, weil ich naturnahe Lebensmittel produzieren will. Das ist eine bäuerliche Tradition. Und die ist durch das Grundgesetz geschützt.“ Würde die Rechtsauffassung der Behörde vor Gericht Bestand haben, dann, so Beutler, hätten alle Biobauern ein Problem. „Heu wäre dann nicht mehr Tierfutter, sondern Arznei. Es sei denn, jemand sortiert vor dem Verzehr Johanniskraut, Spitzwegerich und Löwenzahnwurzeln aus.“