Jobcenter verheimlicht Terrorprüfungen

Die Behörden checken auch weiterhin, ob Arbeitslosengeld-Empfänger auf einer UN-Terrorverdachtsliste stehen. Allerdings informieren sie die Betroffenen in Zukunft nicht mehr darüber. Die Grünen halten diese Prüfpraxis für grundgesetzwidrig

von ALKE WIERTH

Empfänger von Arbeitslosengeld II, die unter Terrorverdacht geraten, sollen in Zukunft überprüft werden, ohne dass sie davon etwas erfahren. Das sagte Dietmar Jarkow gestern der taz, der Geschäftsführer des Jobcenters in Neukölln. Sein Jobcenter hatte auch Mohammed H. betreut, durch dessen Fall die Überprüfungspraktiken der Job-Center publik wurden (taz berichtete).

Der 26-jährige Deutsche hatte über Monate keine Leistungen erhalten, weil sein Name angeblich auf einer Terrorverdächtigen-Liste der Vereinten Nationen stand. Hintergrund ist eine EU-Verordnung, nach der Finanzsanktionen gegen Personen und Organisationen verhängt werden, gegen die die Vereinten Nationen einen Terrorverdacht hegen. Die Verordnung schreibt vor, alle Gelder, Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen von Personen einzufrieren, „die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen, sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern.“

Die Banken überprüfen mit einer speziellen Software, ob in Finanztransaktionen Namen von Verdächtigen aus der UN-Liste auftauchen. Handelt es sich dabei um Empfänger von Arbeitslosengeld I oder II, informieren sie die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Die gibt den Namen des Hilfeempfängers dann an die örtliche Arbeitsagentur und das zuständige Jobcenter weiter.

Während die Betroffenen bisher über die Überprüfung ihrer Person als so genannte Embargo-Verdachtsfälle und die damit verbundene Einstellung der Zahlungen an sie schriftlich informiert wurden, soll der „Terror-Check“ künftig ohne Wissen der Verdächtigten stattfinden.

Um festzustellen, ob es sich bei dem verdächtigten Arbeitslosengeldempfänger tatsächlich um die auf der UN-Liste aufgeführte Person handelt, übermittelt das örtliche Jobcenter Informationen wie Geburtsdatum oder -ort des Betroffenen an die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Wer dann die klärende Identitätsprüfung vornimmt, ist bei den zuständigen Behörden anscheinend nicht geklärt.

Der EU-Verordnung zufolge ist dafür die Bundesbank zuständig. Die teilt auf Anfrage allerdings mit, die Arbeitsagentur selber überprüfe die Identität der Verdächtigen. Nach deren Auskunft wiederum sind es die beteiligten Banken, die die Überprüfung vornehmen – im Falle der Zustellung von Arbeitslosengeld ist das in erster Linie die Postbank.

Die will sich zu ihrer Prüfungspraxis nicht äußern. Man folge den gesetzlichen Bestimmungen, teilt die Postbank-Pressestelle mit. Die allerdings legen ganz klar fest, dass die Überprüfung der Embargomaßnahmen von einer Behörde durchgeführt werden muss. Dass private Unternehmen wie die Postbank solche Ermittlertätigkeiten übernehmen, hält auch der Grüne Bundestagsabgeordnete und Rechtsexperte Wolfgang Wieland für nicht korrekt. Derartige Überprüfungen seien staatliche Aufgaben, so Wieland. Als Skandal betrachtet er außerdem, dass Betroffenen kein Rechtsweg offen stünde, gegen die Verdächtigungen oder auch gegen die tatsächliche Aufnahme auf die UN-Liste vorzugehen. „Das Grundgesetz schreibt aber solche Klagemöglichkeiten vor“, so Wieland. Er ist deshalb der Ansicht, „dass diese Überprüfungen nicht weiter praktiziert werden dürfen“.

Auch das Auswärtige Amt kritisiert die derzeitige Praxis. Zu den Kritikpunkten gehören dabei die unklare legale Basis der Beschlüsse über eine Aufnahme auf die Liste sowie die Tatsache, dass Personen, die auf die Terrorverdächtigen-Liste aufgenommen werden, weder darüber informiert noch dazu selbst angehört werden. Zu den Ergebnissen eines 2003 gemeinsam mit Schweden durchgeführten Workshops der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der UN gehört deshalb unter anderem die Forderung, eine Art Ombudsmann zu installieren, an den sich Betroffene wenden können. Auch der Rechtsschutz von Opfern von Namensverwechslungen wie dem Neuköllner Mohamed H. soll so verbessert werden. Derzeit bereitet das Auswärtige Amt eine Studie sowie ein weiteres Seminar zu den UN-Terrorverdachtslisten vor.