Hun Sen lässt seine Kritiker verhaften

Der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen drangsaliert Oppositionelle mit Verleumdungsklagen

BANGKOK taz ■ Schon wieder ist in Kambodscha ein kritischer Menschenrechtsaktivist verhaftet worden. Pa Nguon Teang, Vizedirektor des „Kambodschanischen Zentrums für Menschenrechte“ (CCHR), wurde vor drei Tagen nahe der Grenze zu Laos festgenommen. Am 31. Dezember waren bereits sein Chef Kem Sokha sowie der Aktivist Yeng Virak verhaftet worden. Der Vorwurf gegen die drei: Verunglimpfung und Verleumdung.

Die Inhaftierten werden in Verbindung gebracht mit einem Transparent, das gegen ein von Premier Hun Sen initiiertes Grenzabkommen mit Vietnam protestiert. Das Spruchband war bei einer Veranstaltung von Nichregierungsorganisationen zum „Internationalen Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember aufgetaucht. Darauf hieß es, Hun Sen würde Kambodschas Ausverkauf betreiben. In dem Abkommen vom Oktober 2005 soll er mehrere tausend Quadratkilometer kambodschanischen Bodens an den verhassten Nachbarn Vietnam abgetreten haben.

Kambodschas „starker Mann“ Hun Sen gilt als machtgierig und verschlagen. Vor allem duldet er keine Einmischung in außenpolitisch brisante Themen, die mit seiner Person verknüpft sind: Der Ex-Offizier der Roten Khmer war bereits 1977, also vor Vietnams Invasion, zum Nachbarn übergelaufen. Jetzt sehen Beobachter Kambodscha auf dem Weg zum totalitären Staat. Die Regierung müsse aufhören, die Justiz zu missbrauchen, um Kritiker mundtot zu machen, forderte die Menschenrechtsorganisation amnesty international. „Zutiefst besorgt“ zeigte sich auch UN-Menschenrechtskommissarin Louise Arbour. Sie erinnerte Kambodschas Führung daran, dass das Land schließlich alle wichtigen Menschenrechtsabkommen unterzeichnet habe.

Wegen kritischer Nachfragen zum umstrittenen Grenzabkommen mit Vietnam waren bereits im Oktober der Radiomacher Mam Sonando und der Gewerkschaftsführer Rong Chhun verhaftet worden. Noch schwerer wiegen die vom Oppositionspolitiker Sam Rainsy geäußerten Vorwürfe: Der seit Februar 2005 im französischen Exil lebende Rainsy hatte Hun Sen beschuldigt, hinter einem Granatangriff auf eine Oppositionskundgebung 1997 zu stecken. Damals starben 16 Menschen, mehr als hundert wurden verletzt. Nachdem Rainsys parlamentarische Immunität Anfang 2005 aufgehoben worden war, wurde er im Dezember in Abwesenheit zu 18 Monaten Haft verurteilt.

Der Versuch, Hun-Sen-Kritiker mundtot zu machen, wirft ein schlechtes Licht auf das von internationaler Hilfe abhängige Land. Zur Jahresmitte soll das Tribunal über die Verbrechen der Roten Khmer seine Arbeit beginnen, an dem auch einheimische Juristen beteiligt sind. Doch die politisch motivierte Verhaftungswelle untergräbt die Glaubwürdigkeit der Justiz. Beobachter dürften kambodschanische Richter jetzt für noch ungeeigneter halten, um über die Kriegsvergangenheit zu urteilen.

NICOLA GLASS