„Dieses warme Rot und Grün“

„Über die Hälfte aller Produkte produzieren wir im Osten, auch in Sachsen. Deshalb war ich schon enttäuscht, als diese Ost-West-Geschichte über uns hereinbrach“

Der Industrie-Designer aus Tübingen, 44, ließ die DDR-Ampelmännchen als Produkt weiterleben. Er ist Geschäftsführer der Ampelmann GmbH, macht mit seinen drei Läden in Berlin und den 150 Produkten über zwei Millionen Euro Umsatz und träumt von einer Marke wie Adidas. Doch vorher muss der Streit um die Markenrechte mit dem ehemaligen Direktor des Volkseigenen Betriebes beigelegt werden, der zu DDR-Zeiten die Ampelschablonen hergestellt hat und sich als „die Wiege der Ampelmännchen“ bezeichnet. Bis Ende Januar ist Zeit für einen Vergleich. Sonst entscheidet das Landgericht Leipzig. Heckhausen wehrt sich gegen den Vorwurf, der böse Wessi zu sein, der den armen Ossi über den Tisch zieht.

Interview BARBARA BOLLWAHN

taz: Herr Heckhausen, sind Sie der DDR dankbar?

Markus Heckhausen: Muss ich ja wohl (lacht). Aber eher müsste ich den westdeutschen Politikern dankbar sein, die die Ampelmännchen abschaffen wollten. Wenn es sich nicht hätte durchsetzen müssen gegen seine Westkollegen, so David gegen Goliath, hätte es die Aufmerksamkeit für das sympathische Männchen wahrscheinlich nie gegeben.

Sie sind 1995 von Tübingen nach Berlin gezogen. Wie wurden Sie zum Retter eines Ost-Wahrzeichens?

Mir fielen die Ampelmännchen, dieses warme Rot und Grün, inmitten des morbiden Charmes direkt ins Auge. Vielleicht fielen sie mir mehr auf als den Leuten, die damit aufgewachsen sind.

Und Sie hatten den Vorteil zu wissen, wie der Hase in der Marktwirtschaft läuft.

Von unserem ersten Schülerjob an wussten wir, wie eine Idee sein muss, um was zu verdienen. Daher lag es uns natürlich viel näher, die Möglichkeit zu sehen, dass man eine Rettungsaktion für eine Figur auch professionell mit dem Beruf verbinden kann. Als mir bewusst wurde, dass die Ostampeln ausgetauscht werden, dachte ich, dass man sich die Ampelscheiben vom Müll bei der Stadtbeleuchtung holen und die Ampelmännchen als Produkt weiterleben lassen könnte. Eine pragmatische Idee eines Produktdesigners. Dann erzählte mir jemand von einer Firma in Wildenfels in Sachsen, die die Ampelscheiben früher hergestellt hat und ich fuhr hin.

Sie meinen den VEB Signaltechnik, mit dessen ehemaligem Direktor Herrn Roßberg Sie sich um die Nutzung des Männchens als Marke streiten?

Ja, er hatte Lagerbestände und wir hatten ausgemacht, dass wir die Stück für Stück beziehen können. Er fand es Klasse, dass er seine Bestände losbekommt.

Sie haben sich beide erst im Komitee zur Rettung der Ampelmännchen engagiert und dann zerstritten. Wieso?

1997 gab es den Versuch, alle, die irgendetwas mit den Ost-Ampelmännchen zu tun hatten, an einen Tisch zu bringen. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen konnte man sich allerdings zu keiner effizienten Gruppe zusammenfinden. Mit Herrn Roßberg hatten wir eine ganz normale Geschäftsbeziehung und dieser Ost-West-Streit fand eigentlich mehr in den Köpfen der Journalisten statt.

Was war dann das Problem?

Das Markenrecht ist in 45 Produktbereiche unterteilt und fünf Prozent davon hatte der Roßberg mal angemeldet, aber nicht genutzt. Dadurch werden sie löschungsreif. Jeder Dritte kann so eine Löschung einklagen. Wir hatten ihm das Angebot gemacht, ihm die fünf Prozent abzukaufen, weil wir kein Interesse an einem Streit hatten. Aber wir kamen nicht zusammen. Weil wir die Produkte bekannt gemacht haben, war es uns wichtig, diese frei werdenden Bereiche rechtzeitig anzumelden.

Sind Sie der böse Wessi, der den armen Ossi über den Tisch ziehen will?

Ganz und gar nicht. Es ist keine arme Ossigeschichte. Es gibt Verlierer der Einheit und es gibt Gewinner. Herrn Roßberg zähle ich ganz klar zu den Gewinnern. Als ich 1995 anfing, fuhr ich einen Trabi und er einen richtig großen, lila-metallenen Mercedes.

Ach, wie das?

Ich hatte kein Geld, war nicht der reiche Wessi. Ich glaube, der Roßberg hat ziemlich schnell vom Westen gelernt. Im Verlaufe des ersten Prozesses vor dem Landgericht Leipzig tauchten Ungereimtheiten auf. Es stellte sich heraus, dass er gar nicht so der arme Ossi ist, als der er sich gerne darstellt beziehungsweise die Presse ihn dargestellt hat und er es gerne annimmt.

Sondern?

Es gibt mehrere Konkurse dort, mehrere Firmen mit gleichen Namen, sein Sohn heißt mit Vor- und Nachnamen genau wie er. Man kann gar nicht richtig erkennen, welche Firma wem gehört und was gespielt wird. Er hat Verkäufe gemacht an Firmen, die schon seit Jahren in Konkurs waren. Er hat vermutlich von der Treuhand den Betrieb übernommen und macht jetzt Baustellenbeschilderung. Aber er hat weder mit der Urheberschaft der Ampelmännchen zu tun noch mit der Idee der Vermarktung. Weshalb sollen wir jetzt sagen, wir geben ihm was ab?

Also waren Sie nur schneller?

Ich hatte als Erster die Idee, die Ampelmännchen als Produkt weiterleben zu lassen. Aufgrund einer Erfahrung, die ich mit einer Diplomarbeit gemacht hatte mit einem öffentlichen Fahrrad, ähnlich wie mit den Rädern der Deutschen Bahn in Berlin, wusste ich, wenn man ein Thema gut aufbereitet, kann man es sehr gut in der Presse veröffentlichen. So lernte ich den Urheber der Ampelmännchen, den Herrn Peglau kennen.

Den Verkehrspsychologen, der 1961 die Figur der Ampelmännchen erfunden hat. Hatte er Ihnen gegenüber nicht Vorbehalte, weil Produktvermarktung im Osten nicht angesagt war?

Im Unterschied zu Roßberg prallten bei Peglau und mir in der Tat völlig fremde Welten aufeinander. Ihm ging es um Verkehrssicherheit und klare Zeichen auf der Straße und nicht um Vermarktung als Lifestyle. Aber er fand es klasse, dass jemand was mit seinem Männchen macht. In ganz vielen Diskussionen hab’ ich versucht ihn heranzuführen an das, was wir beruflich machen. Ganz wichtig war mir, ihn einzubeziehen. Andererseits habe ich mir in langen, langen Diskussionen erklären lassen, dass nicht alles im Osten schlecht war. Interessant ist, dass er und der Roßberg, ausgerechnet die beiden aus dem Osten, sich überhaupt nicht leiden können und sich total Feind sind.

Warum?

Herr Peglau ärgert sich zu Recht, dass Herr Roßberg sich permanent als Urheber, als die Wiege der Ampelmännchen bezeichnet. Die Ampelmännchen sind 1961 entstanden, als Herr Peglau es entworfen hat. Da war Roßberg elf Jahre alt. Rein biologisch kann man mit elf nicht Vater werden. Nach Roßbergs Angaben kam die so genannte Wiege der Ampelmännchen 1969 nach Wildenfels. Die Figuren wurden in Berlin entworfen und erprobt. Ein achtjähriges Kind legt man nicht in die Wiege, das macht überhaupt keinen Sinn. Er hat sich da so reinverstrickt in die Geschichte, ihm gehöre das alles, dass er mir langsam fast leid tut.

Also ist er nicht der arme, sondern der clevere Ostler?

Es ist eine gewisse Bauernschläue, aber im negativen Sinne. Und der Anwalt, der ihn berät, hat von Markenrecht verdammt wenig Ahnung. Das hat den ganzen Prozess schon behindert. Es passiert tagtäglich, dass sich Firmen über Markenunklarheiten streiten. Es ist nur deshalb eine Ost-West-Geschichte, weil ein Beteiligter aus dem Osten und einer aus dem Westen kommt. Das Freche ist, dass er sich anmaßt, er sei der Urvater der Ampelmännchen. Das ist so was von gelogen. Da hört der Spaß auf, finde ich.

Beim Geld hört der Spaß auf?

Wir haben ja nicht in die Ampel gegriffen und da war der Umsatz drin. Wir haben 2005 mit über 30 Leuten, die gut arbeiten und gute Ideen haben, 2,4 Millionen Euro Umsatz gemacht. Roßberg macht mit Ampelprodukten definitiv keine Umsätze. Genau das ist der Streitpunkt. Er macht Werbegeschenke. Aber es gibt nun mal das Urheberrecht und da haben wir als Einzige eine vertragliche Vereinbarung mit Herrn Peglau. Andererseits haben wir ab 1997 Stück für Stück Markenrecht angemeldet, weil wir gemerkt haben, wir müssen uns selbst schützen. Sonst könnte uns das jeder streitig machen.

Bis Ende Januar hat das Landgericht Leipzig eine Frist für einen Vergleich gesetzt. Im letzten Jahr war ein außergerichtlicher Vergleich gescheitert. Wird es diesmal klappen?

Ich denke, jetzt ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch.

Wieso?

Weil der Richter letztendlich unserer Argumentation gefolgt ist, dass Herr Roßberg die Marke nicht nutzt und definitiv keinen Umsatz macht. Er produziert nicht selber. Er macht Taschenkalender oder einen Autoatlas, auf den er einen Ampelmann aufdruckt und seinen Geschäftspartnern schenkt. Das ist aber keine richtige Markennutzung, das sind Werbegeschenke.

Was ist mit dem Ampelmännchen-Schnaps, den er vertreibt?

Das ist der einzige Bereich, in dem er eine gewisse Nutzung vorweisen kann. Aber Schnaps passt nicht zum Thema Verkehrssicherheit.

Wie würde ein Vergleich aussehen?

Der vorgeschlagene Vergleich hätte zur Folge, dass unsere Ampelmann GmbH alle Markenrechte für die Ampelmännchen bekommt, bis auf den Bereich „Schnaps“, und Roßberg was von uns dafür bekäme.

Was denn?

Einige Produktbereiche bezüglich des Markenrechts an der Ampelfrau.

Darüber gibt es auch Streit?

Ja. Roßberg, das muss man anerkennen, hat die Ampelfrau in Verkehr gebracht. Aber es ist der Entwurf von jemand anders. Roßberg hat auch hier behauptet, er hätte sie erfunden. Weil wir schon länger mit dem Thema arbeiten, hatten wir die Marke in den wichtigen Produktbereichen vor ihm angemeldet. Er hat später ein paar Sachen angemeldet.

Wo produzieren Sie?

Über die Hälfte aller Produkte produzieren wir im Osten, auch in Sachsen. Wer macht denn noch Textilproduktion in Deutschland? Niemand! Wir produzieren im Osten, weil es gute Qualität ist und weil es ein Stück weit zu unserem Konzept gehört. Deshalb war ich schon enttäuscht, als diese Ost-West-Geschichte über uns hereinbrach.

Wem gehören denn nun die Ampelmännchen?

In der Ampel gehören sie dem ganzen Volk, als Urheber dem Herrn Peglau, und die Markenrechte haben wir.

Gewähren Sie auch kostenlose Lizenzen zur Nutzung?

Wenn es mit Verkehrserziehung, Kindern oder dem Osten zu tun hat und gemeinnützig ist, wollen wir nichts verdienen.

Ihr Sortiment umfasst 150 Produkte. Vom Flaschenöffner über Fruchtgummis und Babystrampler bis zum Ohrstecker. Ist ein Ende absehbar?

Ich kann kein Ende absehen. Dass wir aus dieser Figur mehr rausholen, ist keine Ostalgiewelle. Wir machen es, weil die Figur eine Superausstrahlung hat, einen Supercharakter. Wir wollen ein richtiges Label aufbauen, junges Design aus Berlin.

Wohin wollen Sie mit den Ampelmännchen?

Vorbilder sind natürlich so richtig bekannte Marken wie Puma oder Adidas. Die Möglichkeit hätte das Ampelmännchen. Im Modebereich kann man viel machen und es gibt noch ein paar andere Bereiche. Aber solange markenrechtlich nicht alles geklärt ist, will ich nicht zu viel dazu sagen.