Grüne sind BVG nicht grün

Die BVG wird nach Ansicht der Grünen 2009 noch über 30 Millionen Euro Verlust einfahren. Den Tarifvertrag, der den BVGern Lohnverzicht abfordert, halten sie für faulen Zauber. Grund: Ver.di könnte bald wieder Aufschläge verlangen

Beim Abschluss des Tarifvertrages im Sommer 2005 hatte sich Klaus Wowereit noch mit warmen Worten bei der Gewerkschaft für den Lohnverzicht der BVG-Beschäftigten bedankt. Nach Ansicht der Grünen war der Regierende da etwas voreilig – könnte sich der Tarifvertrag doch als fauler Zauber entpuppen.

„Der Vertrag hat das Finanzproblem der BVG keinesfalls gelöst“, sagt Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen. Selbst wenn die BVG alle Baustellen vorbildlich beackere – etwa den Personalabbau oder die Fahrgeldeinnahmen –, werde sie in den Jahren 2008 und 2009 Verluste von jeweils über 30 Millionen Euro einfahren. 2004 waren es 75 Millionen.

Als Gründe nennt Esser den Wegfall öffentlicher Zuschüsse: Die Umstrukturierungsbeihilfe des Landes entfalle, auch der jährliche Landeszuschuss, der derzeit bei 420 Millionen Euro liegt, wird in den nächsten Jahren stark gekürzt. Der so genannte Tarifvertrag-Nahverkehr, nach dem die BVGer im Schnitt 8 bis 10 Prozent weniger Lohn kassieren, ärgert den Grünen besonders. „Wowereit hat den Eindruck erweckt, die Gehälter seien bis 2020 eingefroren – damit hat er die Unwahrheit gesagt.“

Das Grünen-Szenario sieht anders aus: Schon Ende 2007 könne die Entgelttabelle des Vertrags gekündigt werden, der Vertrag in Gänze Ende 2010. Die Gewerkschaft Ver.di könnte also bald neu über Lohnaufschläge verhandeln, was sich in der Finanzplanung des Unternehmens niederschlagen würde. „Dann stellt sich die Frage, ob wieder die Landeszuschüsse erhöht werden müssen – oder ob noch teurere Tickets die Mehrausgaben auffangen“, sagt Esser.

Während sich die Finanzverwaltung gestern nicht zu der Vorhersage äußern wollte, bestätigt Ver.di die Kündigungsoption. „Natürlich wird man 2007 erneut über die Löhne bei der BVG reden. Aber das ist ein ergebnisoffener Prozess. Dass einer der Tarifpartner die Entgelttabelle aufkündigt, ist längst nicht gesagt“, sagt Frank Bäsler, der bei Ver.di für die BVG zuständig ist.

Für einen Fehler halten die Grünen auch, dass die bei der BVG-Billigtochter Berlin Transport angestellten Bus- und U-Bahn-Fahrer nach Tarif bezahlt werden. „Erst zahlt die BVG ihren Angestellten Abfindungen bis zu 180.000 Euro, damit sie zu einer wettbewerbsfähigen Tochterfirma wechseln. Jetzt werden ihre Löhne wieder angehoben – da fehlt jeder unternehmerische Plan“, sagt Grünen-Verkehrsfachfrau Claudia Hämmerling.

Die CDU analysiert die Lage ähnlich, kommt aber zu anderen Ergebnissen. Verkehrsexperte Alexander Kaczmarek fürchtet, dass die BVG bis 2007 100 Millionen Euro weniger einspart als geplant. Er macht dafür ebenfalls den „mit heißer Nadel gestrickten“ Tarifvertrag verantwortlich. Die Finanzverwaltung reagiert auf die Prognosen wortkarg. Die „Kassandra-Szenarien“ der Opposition seien unseriös, sagt Sprecher Matthias Kolbeck. Einige Bereiche entwickelten sich besser als geplant, etwa der unverhofft profitable Verkauf der BVG-Wohnungen. Der BVG-Aufsichtsrat will sich im März mit der neuen Finanzplanung beschäftigen. ULRICH SCHULTE