Bürgerbegehren gegen Bürger

taz-Serie Bürgerbegehren (Teil 1): In Marzahn-Hellersdorf will die CDU ausgerechnet mit einem Bürgerbegehren ein anderes basisdemokratisches Instrument, den Bürgerhaushalt, aushebeln

VON FELIX LEE

Noch im Juni 2005 hatte die CDU als einzige Fraktion im Abgeordnetenhaus gegen die Einführung von Bürgerbegehren auf Bezirksebene gestimmt. Nun mausert sie sich selbst zum größten Nutznießer dieses basisdemokratischen Instruments.

Neben einem bereits geplanten Bürgerbegehren gegen die Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße in Kreuzberg will der CDU-Ortsverband Wuhletal in Marzahn-Hellersdorf in diesen Tagen das zweite Bürgerbegehren der Union starten. „Kein Bürgerhaushalt ohne Bürger“, findet Initiator und CDU-Bürgerdeputierter Dirk Altenburg.

Sehr löblich! – könnte man meinen. Doch bei näherem Hinschauen entpuppt sich die angebliche Bürgernähe der Union zu einem bloßen Lippenbekenntnis. Anscheinend will die Partei in Marzahn-Hellersdorf nicht mehr Demokratie, sondern weniger. Denn mit den Mitteln des einen demokratischen Instruments versucht sie ein anderes auszuhebeln. Die CDU stellt den Bürgerhaushalt infrage.

Vor anderthalb Jahren hatte der rot-rote Senat den Weg frei gemacht für den Bürgerhaushalt. Dabei war es vor allem die Linkspartei, die sich für diese neue Form der Bürgerbeteiligung eingesetzt hat. Angelehnt ist sie an das Modell des so genannten „partizipativen Haushalts“ in der brasilianischen Stadt Porto Alegre. Dort können die Einwohner bereits seit über einem Jahrzehnt bei der Verteilung der kommunalen Gelder mitbestimmen. Für zwei Modellversuche wählte der Senat die Bezirke Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf aus.

Doch die CDU Wuhletal will dieses basisdemokratische Modell torpedieren. Sie findet: Bevor die Bürger bei der Vergabe der kommunalen Gelder ihre Vorschläge einreichen dürfen, sollen sie gefragt werden, ob sie so viel Mitbestimmung überhaupt wollen. Dirk Altenburg begründet diese Annahme damit, dass sich auf einer der ersten Versammlungen zum Bürgerhaushalt gerade einmal 100 Bürger beteiligt hätten. „Vielleicht wollen die Marzahner und Hellersdorfer gar nicht beim Haushalt mitreden“, so Altenburg.

Die Linkspartei in Marzahn-Hellersdorf reagierte gelassen auf die offensichtlich gegen sie gerichtete Initiative. Eigentlich könnte die CDU den Bürgerhaushalt durchaus für ihre eigenen Interessen nutzen, sagte Klaus-Jürgen Dahler, der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei in der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf. Der Bürgerhaushalt sei ihnen aber suspekt, weil sie wüssten, dass es ihnen im Linkspartei-dominierten Bezirk an Unterstützern fehlt, so Dahler. Er ist sich sicher, dass das Bürgerbegehren der Union „ins Leere“ laufen wird. „Ein Bürgerbegehren ist mit viel Aufwand verbunden.“

Unerwartet wenig Bedenken hat die Initiative „Mehr Demokratie“ mit der Unions-Kampagne. Der Verein, der sich für mehr Mitbestimmung einsetzt, hat bereits fünf Initiativen beraten. Natürlich habe man dies auch bei der CDU Wuhletal getan, bestätigte Vereinsmitarbeiter Michael Efler. Dass die Union damit ein zweites Instrument der Mitbestimmung infrage stellt, konnte Efler so bisher noch nicht erkennen. Er hält die CDU-Initiative für „diskussionsanregend“.

Altenburg will noch im Laufe dieser Woche den Antrag für das Begehren beim Bezirksamt einreichen. Sobald das Amt die formellen Kriterien überprüft hat, haben die Initiatoren sechs Monate Zeit, die Unterschriften von mindestens drei Prozent der in Marzahn-Hellersdorf gemeldeten EU-Staatsbürger zusammenzusammeln. Insgesamt brauchen sie 6.000 Unterschriften.