„Das sind keine Bad Guys“

Jim Sheridan, Regisseur des HipHop-Films „Get Rich Or Die Trying“, über seine Zusammenarbeit mit 50 Cent und den Punkt, an dem Rapper den US-amerikanischen Kapitalismus zum Witz machen

INTERVIEW UH-YOUNG KIM

taz: Mr. Sheridan, „Get Rich Or Die Tryin‘“ ist ein untypischer Film für Sie. Statt eines irischen Schicksals haben Sie den Werdegang eines Dealers zum Rapper verfilmt. Seit wann interessieren Sie sich für HipHop?

Jim Sheridan: Schon seit den Achtzigern, als ich in New York lebte. Damals war HipHop noch sehr karibisch beeinflusst. Ich hörte KRS-One und fand Public Enemy und N.W.A. klasse.

Was hat Sie an Rap fasziniert?

Es schien so, als ob Rapper die Einzigen seien, die die Wahrheit aussprechen. Diese unverfälschte Wahrheit hat mich angezogen.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Ihrem Hauptdarsteller 50 Cent?

Ich war mit Bono auf einer Party, und er stellte mir Dr. Dre und Jimmy Iovine vor, den Chef von Interscope Records. Jimmy schickte mir das Drehbuch, mir gefiel es, und so wurde ein Treffen mit Fifty arrangiert.

Was war Ihr erster Eindruck von ihm?

Fifty war viel gelassener, als ich mir ihn vorgestellt hatte. Sehr sanft sogar und humorvoll.

Als Popfigur hingegen erfüllt er das Klischee des bösen Gangsters.

Im Film wollte ich dieses Klischee rückgängig machen. Ich wollte eben nicht einen weiteren gewalttätigen Film drehen, der Drogen verherrlicht. Um dieses Image umzukehren, habe ich vor allem die Frauenfiguren stark gemacht. Und auch Fiftys Charakter geht tiefer. Ich finde, er zeigt dabei eine sehr starke Präsenz.

Für seine schauspielerische Leistung hagelte es Kritik.

Wenn in Amerika ein Schwarzer nicht gleich den Hampelmann macht und eher einen stillen Charakter spielt, gilt er gleich als dumpf. Da steckt auch ein gewisser Rassismus hinter.

Aber selbst Samuel L. Jackson hat eine Rolle in Ihrem Film mit der Begründung abgelehnt, dass darstellende Rapper ausgebildeten schwarzen Schauspielern die Rollen wegnehmen.

Das ist doch lächerlich! So viele Rapper, die auch Schauspieler sind, gibt es gar nicht. Es gibt Ice Cube und Ludacris – das war es auch schon fast.

Rapper bringen schon immer ein Alter Ego mit. „Get Rich“ basiert auf dem Leben von Curtis Jackson bzw. 50 Cent. Im Film heißt er aber Marcus bzw. Young Caesar. Wie sind Sie mit den Realitätsebenen umgegangen?

Auch wenn der Charakter sehr nahe an ihn herankommt, spielt Fifty am Ende eine Figur und nicht sich selbst. Das war der Freiraum, den ich gebraucht habe, um zu atmen. Zum Beispiel habe ich die Suche nach dem Vater eingefügt. Fifty hat sich nie wirklich nach einem Vater gesehnt. Ich brauchte diese Elemente für die Story, denn ich konnte ja nicht einfach Eminems „8 Mile“ nachdrehen, wo es bloß um einen Rap-Wettbewerb geht.

Die vaterlose Gesellschaft ist eines der Themen, die Sie aus dem Black Cinema aufgreifen. Wo haben Sie sich über die Verhältnisse innerhalb der Black Community informiert?

Ich habe mich auf meine Schauspieler verlassen, um authentisch zu bleiben. Was außerdem in einer schwarzen Familie passiert, ist ähnlich wie in einer weißen Familie. Es gibt auch viele Parallelen zur irischen Gesellschaft, die aus der Armut und Gewalt entspringen.

50 Cents Lösung zu allen Problemen heißt Geld, viel Geld.

Genau, er sagt einfach: Lasst uns den Kapitalismus für bare Münze nehmen und so richtig mitmischen. Für einen alten Sozialisten wie mich ist das ein toller Widerspruch. Es ist schon seltsam, wie sich Rapper den amerikanischen Kapitalismus zu Eigen machen. Sie treiben ihn bis an die Grenzen, wo der Kapitalismus zum Witz wird.

Der einzige glückliche Moment Ihres Helden ist, wenn er zum ersten Mal in seinem eigenen Auto fährt, das er durch die Crackdealerei verdient hat. Was kommt jenseits des Konsums?

Ich habe auch versucht zu zeigen, dass er über den Materialismus hinausgeht und erkennt, dass ihm Geld allein nicht weiterhilft. Das erfährt er, wenn er zum Rapper werden möchte und sich um seine Familie kümmern muss. Es gibt auch eine Robin-Hood-Seite in ihm.

Der Hustler könnte aber auch deswegen so populär in der amerikanischen Popkultur sein, weil er das Modell des über Leichen gehenden Alleinunternehmers repräsentiert. Sie stellen ihn durchweg positiv dar. Im Film lässt sich die Hauptfigur trotz übelster Umgebung nichts zuschulden kommen.

Das Image des Bad Guy ist doch nicht wirklich wahr. Auch unter Gangstern gibt es einen Ehrenkodex. Die erschießen nicht gleich jeden, der ihnen nicht passt. Der Kapitalismus ist aber der einzige Weg, der ihnen geblieben ist. Die schwarzen Amerikaner haben es mit Martin Luther King versucht und mit Malcolm X oder den Black Panthers. Und immer sind sie gescheitert, weil sie einfach in der Minderheit sind. Jetzt schlagen sie mit den Waffen des Kapitalismus zurück, und alle machen sich die Hosen voll.

Wie war es denn für Sie als weißer Regisseur, einen komplett mit Afroamerikanern besetzten Film zu drehen?

Das war kein Problem. Ich habe meine Arbeit nie unter diesem Gesichtspunkt betrachtet.

War es schwierig, den Crossover in den Mainstreammarkt zu vollziehen?

Im Gegensatz zur schwarzen Popmusik ist es für schwarze Filme schwierig, in den Mainstream vorzudringen. Die schwarze Filmgemeinde existiert in Amerika in der Nische der urban movies. Es ist eine Minderheitenkultur. Als irischer Filmemacher war mir diese Hürde bewusst.

Wenn Sie noch mal die Gelegenheit hätten, ein Projekt wie dieses zu realisieren, was würden Sie anders machen?

Ich würde einen sehr viel radikaleren Film machen – radikal in Bezug auf die Analyse von Schwarzen und ihren Einfluss auf die amerikanische Kultur. Ich würde mich mit den Folgen der Sklaverei in der heutigen Zeit befassen, was ich bisher noch in keinem Film gesehen habe.

„Get Rich Or Die Tryin‘“. Regie: Jim Sheridan. Mit 50 Cent, Terrence Howard u. a. USA 2005, 117 Min.