Das Volk hat es in der Hand

Bei der Abgeordnetenhauswahl soll auch über die Erleichterung von Volksbegehren entschieden werden. Dafür sind laut Linkspartei auch Grüne, FDP und die bisherigen Bremser von der SPD

von FELIX LEE

Die BerlinerInnen können bei der Abgeordnetenhauswahl am 17. September nicht nur über die Parteien abstimmen. Sie können aller Wahrscheinlichkeit nach auch darüber entscheiden, ob die Hürden für Volksbegehren auf Landesebene deutlich gesenkt werden. „Darauf wird sich die rot-rote Koalition zusammen mit den Grünen und der FDP schnell einigen“, sagte Klaus Lederer, Landesvorsitzender und rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei, gestern der taz. Zuvor hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im taz-Interview angedeutet, dass die Erleichterung des Volksbegehrens noch in dieser Legislaturperiode kommen könne. Über Details wie Quoren müsse in den kommenden Wochen zwar noch diskutiert werden, sagte Lederer. Aber die Bereitschaft aller vier Parteien sei da.

Diese Wende kommt überraschend. Zwar sieht bereits der rot-rote Koalitionsvertrag eine Senkung der Hürden beim Volksbegehren vor. Aber noch im November hatte die Spitze der SPD-Fraktion eine Koppelung der notwendigen Volksabstimmung mit der Abgeordnetenhauswahl abgeblockt. Es sei riskant, ein so komplexes Thema mitten im Wahlkampf zu entscheiden, sagte Christian Gaebler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD. Jede Partei würde versuchen, sich mit Maximalpositionen zu profilieren. Das würde dem Vorhaben nur schaden.

Gestern wollte die SPD-Fraktionsspitze Wowereits Zustimmung zwar nicht kommentieren. Fraktionschef Michael Müller räumte jedoch ein, dass „derzeit intensive Gespräche laufen“. Mit einer Entscheidung sei „in nicht allzu langer Zeit“ zu rechnen.

Michael Efler, Mitglied im Landesvorstand der Initiative Mehr Demokratie e. V., begrüßte die klaren Worte des Regierenden Bürgermeisters. „Rot-Rot muss sich jetzt schnell einigen und auf die Opposition zugehen.“

Um Volksbegehren zu erleichtern, benötigen die Befürworter zunächst eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus. Für die Änderung des entscheidenden Verfassungsartikels muss aber auch das Volk selbst befragt werden. Eine Volksbefragung kostet zwischen zwei und drei Millionen Euro. Um den Landeshaushalt nicht zusätzlich zu belasten, möchte die Linkspartei die Abstimmung mit den Abgeordnetenhauswahlen verknüpfen. Deswegen haben es die Linkssozialisten derzeit so eilig.

Für die Einführung von Bürgerentscheiden auf Bezirksebene hatte die rot-rote Koalition zusammen mit Grünen und FDP bereits Mitte des vergangenen Jahres die Landesverfassung geändert. Die Resonanz ist groß: Sechs Initiativen haben bereits oder wollen in den kommenden Wochen Bürgerbegehren starten. Eine siebte Initiative in Reinickendorf zog ihren Antrag wieder zurück, nachdem das Bezirksamt auf ihre Forderung eingegangen war.

Insbesondere für die Linkspartei, aber auch für Grüne und FDP sind bezirkliche Bürgerbegehren nur die Vorstufe für Volksentscheide auf Landesebene. Die sind seit In-Kraft-Treten der Berliner Verfassung 1995 zwar grundsätzlich möglich. Doch schon in der ersten Stufe müssen rund 25.000 Unterschriften gesammelt werden, in der zweiten Stufe müssen gar rund 10 Prozent der Wahlberechtigten – also rund 250.000 Berliner – innerhalb von nur zwei Monaten zustimmen. Diese Quoren sind so hoch, dass viele Initiativen diese Form der demokratischen Mitbestimmung überhaupt nicht in Erwägung zu ziehen. Das sieht auch die SPD so.

Einzig die CDU im Abgeordnetenhaus hat sich bisher gegen eine Reform ausgesprochen. Aber da sie auf Bezirksebene zu den häufigsten Nutzern zählt, wächst auch in ihren Reihen die Zustimmung.

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