Schon wieder eine Lex Berlusconi

Italiens Parlament beschließt kurz vor anstehenden Neuwahlen eine Justizreform, die dem Premierminister nützt

ROM taz ■ Kurz vor der Parlamentsauflösung Ende Januar hat die italienische Rechtskoalition ihrem Premier Silvio Berlusconi mit einer erneuten Justizreform das Abschiedsgeschenk bereitet. Das am Donnerstagabend gegen die Stimmen der Opposition durchgedrückte Gesetz nennt sich „Reform der Berufungsinstanz“. Die „Reform“ besteht darin, je nach Ausgang des Richterspruchs – Freispruch oder Verurteilung – eine ganz unterschiedliche Fortsetzung des Verfahrens festzulegen. Bei einer Verurteilung kann der Angeklagte weiterhin Berufung einlegen. Bei einem Freispruch dagegen ist dem Staatsanwalt die Berufung versagt. Als einzige Prüfinstanz bleibt das Kassationsgericht, das jedoch nicht wieder in die Beweisaufnahme eintreten darf, sondern allein offensichtliche Rechtsfehler rügen kann.

Das Gesetz ist – wieder einmal – auf Silvio Berlusconi zugeschnitten. Der war in erster Instanz in Mailand wegen Richterbestechung freigesprochen worden. Gegen diesen Freispruch, der in einem Punkt zudem nur wegen Verjährung der Straftat ergangen war, hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Mit der Verhandlung in zweiter Instanz wurde für das Frühjahr gerechnet; eine neue Verhandlung erübrigt sich nun. Justizminister Roberto Castelli streitet einen Zusammenhang des neuen Gesetzes mit dem anstehenden Prozess jedoch ab. Ihm sei es allein um die „generelle Norm“ und nicht „um irgendeinen Einzelfall“ gegangen. Die Opposition hofft jetzt, dass Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi dem Gesetz die Unterschrift verweigert. MICHAEL BRAUN

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