AKW-Kontrolleure werden kontrolliert

Bundesumweltminister Gabriel will internationale Experten nach Deutschland holen, damit sie die Atomaufsicht überprüfen. Das wirkt wie ein spektakulärer Affront gegen die unionsregierten Länder, die vor allem für die AKW-Kontrolle zuständig sind

von BERNWARD JANZING

Geht der Atomstreit zwischen SPD und Union in eine neue Runde? Der jüngste Auftritt von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wirkte durchaus spektakulär: Er kündigte an, die deutsche Atomaufsicht von Fachleuten aus dem Ausland untersuchen zu lassen. Dies ließe sich als Drohung an die Länder verstehen, denn sie vor allem überwachen die Reaktoren. Zudem haben einige Unions-Ministerpräsidenten die SPD in den letzten Wochen mit der Forderung verärgert, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke zu verlängern. Schließlich stehen im März drei Landtagswahlen an.

Doch das Bundesumweltministerium wiegelte gestern ab und wollte von einem politischen Konflikt nichts wissen: Externe Kontrollen seien auch in anderen Staaten üblich. „Daraus können die jeweiligen Atomaufsichtsbehörden lernen und somit ihre Effizienz verbessern“, sagte ein Sprecher der taz. Auch andere Länder wie Frankreich, Großbritannien, Kanada und die USA hätten sich bereits entschieden, ausländische Atomexperten in Anspruch zu nehmen, oder diskutierten diesen Schritt noch.

Am Wochenende hatte Gabriel noch kampfeslustiger geklungen. Er nutzte ein Spiegel-Interview, um eine „unabhängige Prüfung der Struktur und Standards unserer Atomaufsichtspraxis“ anzukündigen. Er habe die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) gebeten, ein Überprüfungsteam nach Deutschland zu entsenden. Er wolle „alles tun, um das Sicherheitsmanagement der deutschen Atomkraftwerke gezielt zu verbessern“ – ein Schritt, den er „für notwendig und verantwortungsbewusst“ halte. Der Überprüfungsprozess werde voraussichtlich noch in diesem Jahr beginnen.

Gerade in Deutschland ist die Atomaufsicht besonders anfällig für ineffiziente Abläufe. Denn die eigentliche Kontrollaufgabe liegt bei den Ländern, die wiederum vom Bund überwacht werden. Diese Kompetenzverteilung werde „in der internationalen Community kritisch gesehen“, hatte Gabriel in seinem Interview erklärt. In der Tat hatte es in der Vergangenheit schon öfter Querelen zwischen Bundes- und Länderbehörden gegeben. So stritten sich 2004 der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und sein bayerischer Amtskollege Werner Schnappauf (CSU), ob der Meiler Isar I ausreichend gegen terroristische Flugzeugangriffe geschützt sei.

In den Ländern wachen meist sieben bis acht Ministeriumsbeamte – oft als eigenes Referat organisiert – über jeweils einen Atomreaktor. Es sind überwiegend Techniker. Die AKW-Betreiber müssen die Kosten dieser Aufsicht zumindest teilweise tragen. In Baden-Württemberg zum Beispiel wird für jeden Reaktorblock ein Betrag von 400.000 Euro pro Jahr an das Land fällig. Verlangen die Behörden weitere Gutachten, so sind diese in der Regel noch um ein Vielfaches teurer. Mit diesen Expertisen werden die einschlägigen technischen Institutionen betraut, vor allem der TÜV.

Das Bundesumweltministerium (BMU) wiederum verfügt in bestimmten Fragen über eine Weisungskompetenz gegenüber den Ländern – etwa beim Standort von Zwischenlagern. Mit dieser „Recht- und Zweckmäßigkeitsaufsicht“ sind 13 Mitarbeiter des Ministeriums betraut. Die gesamte Abteilung Reaktorsicherheit im BMU beschäftigt etwa 75 Mitarbeiter, wobei sie auch die Fabrikation von Brennelementen, den Betrieb von Forschungsreaktoren sowie die atomaren Zwischenlager überwachen. Diese Aufsicht bezahlen übrigens die Steuerzahler: An den Kosten der Reaktorsicherheit auf Bundesebene werden die AKW-Betreiber nicht beteiligt.