Schule wird Politikum

taz-Serie Bürgerbegehren (Teil 4): In Lichtenberg sollen zwei Gymnasien fusionieren. Dagegen rebellieren Eltern

Für Gerrit Deutschmann und seine Mitstreiter könnte der 17. September der Tag der Entscheidung werden. Nicht jedoch, weil die Berliner an diesem Sonntag ein neues Abgeordnetenhaus wählen. Sondern weil dann die Lichtenberger entscheiden sollen, wie es weitergeht mit dem Coppi-Gymnasium in Karlshorst. So jedenfalls wünscht es sich Deutschmann.

Der Bezirk will das musisch orientierte Gymnasium mit dem Kant-Gymnasium in Friedrichsfelde fusionieren. Doch einige Anwohner, Eltern, Lehrer und Schüler wehren sich gegen diese Pläne. Sie organisieren ein Bürgerbegehren. „Karlshorst ist einer der wenigen Ortsteile in Lichtenberg, die wirklich funktionieren“, sagt Mitinitiator Deutschmann, der selbst in Karlshorst wohnt. „Hier werden neue Häuser gebaut, junge Familien ziehen her. Da wäre es das völlig falsche Signal, die Schule umzusiedeln.“

In den vergangenen zehn Jahren sind die Schülerzahlen in Berlin um mehr als 18 Prozent gesunken. Traf der drastische Geburtenrückgang nach der Wende zuerst vor allem die Grundschulen im Ostteil der Stadt, hat er nun auch die dortigen Gymnasien erreicht.

Das Coppi-Gymnasium ist da keine Ausnahme: Verzeichnete die Schule 2003 noch mehr als 100 Neuzugänge, meldeten sich im folgenden Jahr nur noch 74 Schüler an, 2005 waren es 76. „Bei allen optimistischen Prognosen ist es nicht ersichtlich, dass die Schülerzahlen ausreichend sein werden“, sagt Bildungsstadtrat Michael Räßler-Wolff (Linkspartei.PDS). Deutschmann widerspricht: „Die Schülerzahlen sinken weniger stark als an anderen Schulen.“ Auch die Fusionsdiskussion halte viele Eltern davon ab, ihre Kinder in der Schule anzumelden.

Der Bezirk plant nun eine komplizierte Rochade: Denn auch nach der Fusion von Kant- und Coppi-Gymnasium soll das Schulgebäude in Karlshorst nicht verwaisen. Dort soll künftig das Georg-Forster-Gymnasium residieren; eine naturwissenschaftlich ausgerichtete Schule, die derzeit noch in Friedrichsfelde beheimatet ist.

Das umständliche Umzugs- und Fusionskonzept ist ein komplizierter Kompromiss: Zwar soll die Zahl der eigenständigen Gymnasien reduziert, doch keine der Schulen ganz aufgegeben werden. Eine Fusion von Kant- und Forster-Gymnasium, die den Ringtausch hätte verhindern können, sei indes nicht möglich: „Das Forster-Gymnasium hat eine zu spezielle Ausrichtung“, sagt Räßler-Wolff.

Musisches Profil

Die hat jedoch auch das Coppi-Gymnasium. Deutschmann und seine Mitstreiter fürchten nun um das musische Profil der Schule. Zwar hat sich Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei.PDS) in einer mündlichen Erklärung für den Erhalt des musischen Schulzweiges ausgesprochen. Bindend ist das allerdings keineswegs: Denn über schulische Inhalte entscheidet nicht der Bezirk, sondern die Senatsverwaltung.

Um die Fusionspläne zu verhindern, hat die Bürgerinitiative am Donnerstag begonnen, Unterschriften zu sammeln. Die Unterlagen für das Bürgerbegehren hatte sie schon am 30. Dezember beim Bezirksamt Lichtenberg eingereicht. Rund 6.000 Unterschriften müssen die Fusionsgegner zusammenbekommen. Gelingt das, wären es nicht das Bezirksamt oder der Senat, sondern die Lichtenberger selbst, die am 17. September über die Zukunft der Coppi-Schule entscheiden. Martin Reischke