Grüne: It’s the economy, Wowi!

Die Ökopartei will im Wahlkampf auf das harte Thema Wirtschaft setzen und damit die PDS abhängen. Die FraktionschefInnen Klotz und Ratzmann favorisieren Rot-Grün

Die Grünen machen sich den Spruch zu Eigen, der schon Bill Clinton zum Wahlsieg verhalf. Wirtschaftspolitik soll ihr Schwerpunkt im Wahlkampf sein, und mit diesem Akzent jenseits klassisch grüner Themen will die Partei die drittstärkste Kraft in Berlin werden, also die Linkspartei hinter sich lassen. „Rot-Rot ist mit dem versprochenen Mentalitätswechsel in der Finanzpolitik stecken geblieben“, sagte die Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz gestern. „Die Stadt muss aber wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen.“

Bei ihrer Klausurtagung am Wochenende entwickelte die Fraktion Ideen, wie dies in einem mit fast 60 Milliarden Euro verschuldeten Land gehen soll. Bei der Förderung von Projekten müsse mit dem „Gießkannenprinzip des Senats“ Schluss sein, fordert Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Stattdessen will er das Profil Berlins als Kultur- und Wissensstadt schärfen, getreu dem Leitbild, dass seiner Partei vorschwebt: „Berlin – Stadt der Kreativität und des Wissens“.

Die Grünen haben dabei besonders den Mittelstand im Blick. Kleine Musikfirmen, Medienbetriebe oder Modelabels kämen kaum in den Genuss öffentlicher Förderung und Beratung, sagte Ratzmann. „Die Verwaltung verhält sich manchmal geradezu ansiedlungsfeindlich.“ Schnelle Beratung, gleiche Strukturen in den Bezirken, kein Antragsmarathon – ginge es nach den Grünen, würden Selbstständige im Bezirksamt wie in der One-Stop-Agency auf Landesebene beraten. „Dazu gehört ein transparentes Zeitmanagement“, sagte Ratzmann. „Es muss klar sein, wann eine Behörde über einen Antrag entscheidet.“ Stattdessen würden Neugründer oft im Ungewissen gelassen.

Wer regiert, muss investieren, ist ein weiteres grünes Fazit. Investitionen in Kulturstätten, Schulen und Straßen dürften aus Geldnot nicht aufgeschoben werden, so Klotz. „Kein Geld in Infrastruktur zu stecken, ist die teuerste Verschuldung, die sich Berlin leisten kann, weil dann nachfolgende Generationen doppelt zahlen.“ Ein Investitionsprogramm für die Sanierung öffentlicher Gebäude könnte nach Vorstellungen der Partei Jobs schaffen und sich durch eingesparte Energiekosten auf Dauer selbst finanzieren.

Es ist Wahlkampf, deshalb halten die Grünen auch nichts von Klaus Wowereits (SPD) ständig wiederholten Beteuerung, Investoren den roten Teppich auszurollen: „Wowereit hat so eine ‚Mir kann keener‘-Attitüde. Diese Berliner Schnoddrigkeit kommt bei Investoren nicht gut an“, sagte Klotz. Als Beleg nennt sie den Streit um die Verlegung der Bahnzentrale, bei dem der Regierende Bürgermeister und Bahnchef Hartmut Mehdorn eifrig Sticheleien austauschten.

Derlei Kritik könnte nach der Wahl schnell vergessen sein. Das Ziel ist hoch gesteckt: Die Ökopartei, die in den Umfragen zwischen 13 und 15 Prozent liegt, will 250.000 Stimmen holen und damit die PDS hinter sich lassen. Die favorisierte Konstellation wäre dabei Rot-Grün – bei einer rot-rot-grünen Koalition hätten viele im Landesverband „sehr starke Bauchschmerzen“, sagte Klotz. Eine schwarz-grüne Option scheide angesichts des Zustands der CDU aus. „Die einzelnen Stimmen für eine solche Koalition sind verstummt.“

ULRICH SCHULTE