DSL-Rebellen gegen die Telekom

Die Initiative „DSL nach Pankow“ bringt die Telekom auf Trab. Der Konzern wollte Pankow erst 2008 flächendeckend mit DSL versorgen. Die Ini holte einen Konkurrenten. Plötzlich ist die Telekom flott

VON MARTIN REISCHKE

Wenn Michael Ester früher die monatlichen Rechnungen der Deutschen Telekom sah, bekam er jedes Mal einen Schreck. „Bis zu 600 Euro haben wir bezahlt – nur für das Internet“, sagt Ester, der als Werkstattleiter für die Henke AG arbeitet. Das Pech des bundesweit agierenden Handwerksunternehmens aus Westfalen: Es hatte seine Berliner Filiale in Pankow-Rosenthal eingerichtet und sich damit unfreiwillig von der blitzschnellen Datenübertragung abgekoppelt.

Bis heute sind große Teile des Bezirks Pankow Notstandsgebiet in Sachen Internet: Von einer schnellen und preisgünstigen Internetverbindung, wie sie in anderen Bezirken längst üblich ist, können viele Pankower nur träumen. Sie müssen mit langsamen Verbindungen, zum Beispiel ISDN, vorlieb nehmen – und zahlen dafür oft horrende Gebühren, wenn sie große Datenmengen übertragen.

Grund sind die Glasfaserkabel, die nach der Wende im Osten der Stadt verlegt wurden. Was damals als Telefonnetz der Zukunft galt, ist heute ein Innovationshemmnis: Die modernen Kabel müssen aufwändig für die schnelle Verbindung umgerüstet werden, weil die DSL-Technik eigentlich an Kupferkabel gebunden ist. Das Kürzel DSL steht für „Digital Subscriber Line“. Durch Aufsplitten der Bandbreite in verschiedene Kanäle und Nutzen höherer Frequenzbereiche erhöht die Technik die Übertragungsraten des Kupferkabels.

Ein Standortnachteil, der manche Firmen davon abhält, nach Pankow zu ziehen. „Wenn ich keine DSL-Breitbandverbindung hätte, könnte ich nicht wirtschaftlich arbeiten“, sagt Torsten Hilse, Geschäftsführer der verbum Druck-Verlagsgesellschaft in Prenzlauer Berg.

Schon vor Jahren hat die Telekom eine Besserung der Lage angekündigt. Getan hat sich nur wenig. Bis einige Pankower genug hatten von den ewigen Versprechungen der Telekom und ihr Kommunikationsschicksal selbst in die Hand nahmen.

Im April 2005 gründeten sie die Initiative „DSL nach Pankow“. Seitdem haben sie mehr als 1.000 Unterschriften gesammelt, Bezirkspolitiker agitiert und mit Anbietern verhandelt. Seit November gibt es ein sichtbares Zeichen ihres Erfolgs. Auf dem Rathausturm von Pankow thront eine so genannte Wimax-Antenne, die Haushalte im Umkreis von 3 Kilometern per Funk mit einer schnellen Internetverbindung versorgen soll.

Als Pilotprojekt hat das Heidelberger Unternehmen Deutsche Breitband Dienste (DBD) die Antenne installiert. Im Dezember versprach DBD-Chef Fabio Zoffi, innerhalb von 18 Monaten ganz Berlin per Funk mit Internet- und Telefonanschlüssen zu versorgen. Noch steckt das Vorhaben in den Kinderschuhen: Nur das unmittelbare Pankower Zentrum wird von der Wimax-Antenne versorgt. Und nicht einmal dort funktioniert die Übertragung reibungslos.

Doch seit die DBD in Pankow aktiv ist, scheint die Telekom kalte Füße zu bekommen. Sie kümmert sich nun wieder um den vernachlässigten Bezirk. Noch vor einem halben Jahr hatte sie es nicht besonders eilig mit der DSL-Versorgung der Pankower. Bis Ende 2008 wollte der Konzern den Bezirk flächendeckend mit einer schnellen Internetverbindung ausstatten. Heute sieht das anders aus: „Noch bis Ende des Jahres können wir das meiste schaffen“, sagt Sprecher Niels Hafenrichter. Mit dem Markteintritt der DBD habe die Beschleunigung nichts zu tun. „Die technischen Voraussetzungen haben sich verändert“, erklärt er.

Jens Peter Franke, Sprecher der Initiative „DSL nach Pankow“, hat andere Erfahrungen gemacht: „Es ist auffällig, dass die Telekom seit Oktober unterwegs ist und DSL in Pankow anbietet.“ Auch für Werkstattleiter Ester brachte die Einrichtung der Wimax-Sendestation eine unerwartete Wende, obwohl er nicht direkt vom Funknetz der DBD profitiert. Mehr als zwei Jahre hatte er mit der Telekom um einen schnellen Internetanschluss für die Henke AG gekämpft. Im November war das plötzlich kein Problem mehr. Seitdem hat die Firma einen DSL-Anschluss. Und zahlt statt bis zu 600 Euro nur noch 50 Euro für das Internet.

Seit die DBD in Pankow Fakten geschaffen hat, will auch die Telekom die Stimmung nicht länger verderben. Sie übt sich in Zweckoptimismus. Telekom-Sprecher Hafenrichter: „Wettbewerb ist eine schöne Sache.“