Rhetorische Aufmuskelung

In den USA werden Forderungen nach Militärschlägen gegen Iran immer lauter. Liberale dagegen halten diese Option für politisch gefährlich und militärisch sinnlos

WASHINGTON taz ■ Seitdem Iran sich darangemacht hat, seine Atomforschungsanlagen wieder in Gang zu bringen, um möglicherweise „die Bombe“ zu bauen, steigt in den USA die Spannung – und die Ratlosigkeit. Zwar lautet bislang die offizielle Sprachregelung: „Das Problem Iran mit Verhandlungen lösen.“ Doch denken natürlich das Kapitol und die Experten in den Thinktanks immer lauter darüber nach, was sein könnte, wenn sich der Sicherheitsrat der UNO nicht auf eine gemeinsame Strategie wird einigen können. Der einflussreiche republikanische US-Senator John McCain, der als möglicher Präsidentschaftskandidat 2008 gehandelt wird, erklärte kürzlich, dass die USA auf einen Militärschlag gegen Iran vorbereitet sein müssten. „Die militärische Option ist die letzte Option. Alles andere muss zuvor ausgeschöpft sein. Es wäre aber verrückt, zu sagen, dass wir unter keinen Umständen einen Militärschlag einsetzen würden“, sagte McCain dem Fernsehsender CBS.

Der Senator, der sich im Dezember vehement gegen die Folterpraxis der Bush-Administration ausgesprochen hatte, bezeichnete den Atomstreit mit Iran als „die kritischste Situation, vor der wir seit dem Ende des Kalten Krieges stehen, abgesehen von dem Krieg gegen den Terrorismus“. Es gebe nur eine Entwicklung, die schlimmer sei als ein US-Angriff: „ein mit Atombomben bewaffneter Iran“. Dass die USA bereits im Irak militärisch involviert seien, heiße keinesfalls, dass sie „keine militärischen Optionen“ hätten.

Immer wieder betonen auch Washingtoner Politiker, dass die rhetorische Aufmuskelung ein Versuch sei, die iranische Führung zu beeindrucken – und Zeit zu gewinnen. Denn einen Militärschlag gegen Teheran bzw. gezielte Einmalschläge gegen die Atomanlagen halten Experten wie Kenneth Pollack vom liberalen Thinktank „Brookings“ für politisch gefährlich und militärisch sinnlos. Vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses legte er dar, dass sich die USA einen Alleingang gegen Iran nicht leisten können – China und Russland müssten mit ins Boot. Eine Verhandlungslösung, der Grand Bargain, wäre die beste Lösung – und würde die USA nichts kosten, weshalb von Reagan bis Clinton alle Präsidenten diesen Weg bislang bevorzugt hätten. Doch Pollack hält Verhandlungen, bei denen sich der Westen mit den Iranern hinsetzt und in Ruhe alle Optionen durchgeht, für unwahrscheinlich, „da sie zu sehr auf der Logik des Westens basieren“. Die wahrscheinlichste Lösung, ein diplomatischer Feldzug, stehe aber noch ganz am Anfang.

Die Ratlosigkeit, was mit dem Iran zu tun sei, ist groß in Washington. Das zeigen wütende Kommentare, wie in der Washington Post von gestern, in denen die EU3, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, beschimpft werden, mit ihren Verhandlungen nur wertvolle Zeit vertan zu haben. Die Administration hält sich alle Optionen offen, Präsident George W. Bush bestand darauf, auch eine militärische nicht auszuschließen. Pollack riet dem Kongress, dieses Mittel nicht auszuschließen.

ADRIENNE WOLTERSDORF