Senat schlägt Brücken im Stadionstreit

Nach Kritik der Stiftung Warentest bessert die Behörde das Olympiastadion nach. Damit Zuschauer bei einer Panik aufs Spielfeld flüchten können, werden Brücken am Reportergraben installiert. Bund lehnt Finanzspritze für WM-Fest ab

Die Fifa-Gala abgesagt, das Olympiastadion von der Stiftung Warentest bemängelt – bei den Vorbereitungen auf die Fußball-WM geht im Moment einiges schief. Der Senat tut das, was eine Regierung in einer verfahrenen Situation tun sollte: Er schlägt Brücken. Auch wenn bisher das Konzept für ein eigenes Eröffnungsfest noch schwammig bleibt – zumindest bei der Sicherheitsdebatte um das für 242 Millionen Euro hergerichtete Olympiastadion ist eine Lösung in Sicht.

An dem Reportergraben, der Zuschauer im Fall einer Panik daran hindert, aufs Spielfeld zu laufen, sollen mehrere Rettungsbrücken installiert werden. Die Warentester hatten den 2,50 Meter tiefen Graben als Sicherheitsrisiko bemängelt. „Es wird eine Brückenlösung geben. Wir werden den Graben definitiv nicht zuschütten“, sagte Petra Rohland gestern, die Sprecherin der Verkehrsverwaltung. Derzeit gibt es im Stadion vier transportable Brücken. „Das ist viel zu wenig“, sagt Rohland. Bis zum WM-Start im Juni soll es eine „weit darüber hinausgehende Zahl“ geben. Eine Projektgruppe prüft jetzt Lösungen – von versenkbaren, hydraulischen Geräten bis hin zu Klappbrücken. Am Freitag hatten Fachleute von Verwaltung, Feuerwehr und Fußballverband das Stadion besichtigt.

Die pragmatische Lösung des Senats könnte im Sinne des Bundes sein. Gestern Nachmittag befasste sich der Sportausschuss des Bundestags mit der Stadionsicherheit. „Panikmache“ sei nicht angebracht, sagte der parlamentarische Staatssekretär des Innenministeriums, Christoph Bergner. „Die jüngst diskutierten Fragestellungen werden bis zum WM-Start geklärt, eventuelle Mängel behoben.“ Er betonte, dass es in Deutschland seit Jahrzehnten keine Stadionkatastrophe mit Todesfällen wie in Belgien oder in Großbritannien gegeben habe.

Ob im Olympiastadion ein paar Brücken allen Zuschauern den Weg aufs Spielfeld ermöglichen, ist mehr als fraglich. Bei einer Katastrophenübung der Polizei und des Technischen Hilfswerks im November 2005 brauchten die Helfer fast eine halbe Stunde, um über eine Gangway-Brücke einen Block zu räumen. „Was jetzt entwickelt wird, muss ausgereifter sein“, sagt Christoph Meyer, Sprecher der Olympiastadion GmbH.

Die Brücken sind nur bei einer „Evakuierung nach innen“, also aufs Spielfeld, nötig – dies wäre der Fall, wenn ein Feuer oder eine Bombe die Rettungswege nach draußen blockiert. Jenseits dessen entsprechen die Fluchtwege im Stadion den Vorschriften. Im Oberring gibt es 39 so genannte Mundlöcher, durch die Menschen ins Freie gelangen können. Im Unterring sind es 17. „Eine Evakuierung des voll besetzten Stadions dauert 15 Minuten“, sagt Meyer – es fasst 74.220 Menschen. Dass in so kurzer Zeit so viele Leute rauskommen, ist auch historisch bedingt: Rund um das 1936 fertig gestellte Aufmarschstadion der Nazis ist viel Platz, nebenan liegt das Maifeld.

Während der Senat die Sicherheitsdebatte ums Stadion gelassen angeht, traf ihn gestern eine andere Hiobsbotschaft. Die Bundesregierung will keinen Cent zu der von Berlin geplanten Eröffnungsfeier am Brandenburger Tor zuschießen. Staatssekretär Bergner argumentiert, die von der Bundesregierung eingesetzten WM-Mittel dienten „anderen Zwecken“. Bei der Finanzierung der WM-Feier stehe der Bund „nicht in der Pflicht“.

ULRICH SCHULTE