Schwulsein als Abschiebeschutz

Aus Angst vor seiner Abschiebung bekennt sich ein 15-Jähriger aus Kamerun nun öffentlich als schwul. Die Aktion für ein Bleiberecht weitet sich aus. Schwulenmagazin kämpft auch für seine Schwester

VON PLUTONIA PLARRE

Seit ihnen die Abschiebung aus Deutschland droht, ist über die kamerunischen Geschwister Junior und Yanga viel geschrieben worden: dass sie sich in Berlin vorbildlich integriert haben. Dass sie engagierte Schüler sind. Dass sie bereit sind, für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen. Nur dass er homosexuell ist, wollte der 15-jährige Junior bislang vertraulich behandelt wissen– aus Angst vor seiner Familie, die damit nicht umgehen kann. Aber seine Angst vor der drohenden Abschiebung nach Kamerun – dort wird Homosexualität bestraft – ist größer als die vor der Familie. „Ich bin schwul“, bekennt Junior gegenüber der taz und der Schwulenzeitung Siegessäule nun erstmals öffentlich.

Die Siegessäule wird in ihrer Februar-Ausgabe über den Fall berichten. Gleichzeitig ruft das Blatt seine Leser dazu auf, die Bleiberechtskampagne für Junior und seine 18-jährigen Schwester Yanga zu unterstützen. Die Kampagne war nach den Weihnachtsferien von Juniors Lehrern und Mitschülern der Moses-Mendelssohn-Oberschule in Mitte und den Betreuern des Jugendwohnprojekts WohnSinn gestartet worden, wo die Geschwister untergebracht sind.

Um Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Wind aus den Segeln zu nehmen, bemüht sich die Unterstützergruppe unter anderem darum, Leute zu finden, die Geld für den Lebensunterhalt der beiden spenden. Dass die Geschwister keine Aufenthaltserlaubnis erhalten sollen, hatte Körting gegenüber der taz damit begründet, dass sie der deutsche Staat alimentieren müsse. Die Härtefallkommission hatte für einen Verbleib von Junior und Yanga in Berlin plädiert.

Die Mutter der beiden verbüßt in Stuttgart eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen Drogenhandels. Von der in Europa lebenden Verwandtschaft scheint für die zwei keine finanzielle Unterstützung zu kommen.

„Ich hätte gewünscht, es wäre nicht nötig gewesen, dass sich Junior öffentlich als homosexuell outen muss“, sagt der Direktor der Mendelssohn-Schule, Hartmut Blees. Aber sein Eindruck sei, dass sich bei Innensenator Körting nichts bewege. Am 9. Januar hätten Junior und Yanga einen Termin bei der Ausländerbehörde gehabt. „Dort hat man durchblicken lassen, dass sie noch etwa vier Wochen Zeit haben“, so Blees.

Die Redaktion der Siegessäule hat einen offenen Brief an Innensenator Körting geschrieben, von dem auch der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), eine Abschrift bekommen hat. Junior und Yanga seien „ein Musterbeispiel für gelungene Integration“. Deshalb wird Körting aufgefordert, seine Verantwortung für die Geschwister ernst zu nehmen und der Härtefallkommission zu folgen.

Auch auf die Homosexualität Juniors wird in dem Brief eingegangen: „Junior hat Ende letzten Jahres sein Coming-out als Schwuler gehabt. Das ist für jeden 15-Jährigen ein sehr schwieriger Schritt, der das ganze Leben auf den Kopf stellt. Junior ist glücklich, es geschafft zu haben. In Kamerun, wo Homosexualität illegal ist, hat er keine Chance auf ein glückliches Leben.“ Der Brief endet mit der Drohung, den Fall im Wahlkampf zur Sprache zu bringen, sollte es zur Abschiebung der Geschwister kommen.

Gleichzeitig wirbt die Siegessäule in einem offenen Aufruf bei Prominenten um Unterstützung. Das Aktion sei sehr gut angelaufen, freut sich Chefredakteur Holger Wicht über die positive Resonanz. Auch bei Juniors Verwandtschaft ist der Aufruf angekommen. Seitdem steht Juniors Telefon nicht mehr still. „Die Familie kommt nicht klar damit, dass ich schwul bin“, sagt er. „Die machen mich damit jetzt ganz fertig.“