Die Brause sprudelt noch

Der Boykott von US-Unis gegen den Limo-Giganten Coca-Cola ist eher symbolisch, beunruhigt aber die Konzernzentrale

aus Ann Arbor Adrienne Woltersdorf

Im Haus der organisierten Studentenschaft der University of Michigan ist alles an seinem Platz. Keine Zettellandschaften mit WG-Gesuchen, sondern altenglische Gediegenheit. Während im Erdgeschoss ehrgeizige junge Menschen still studieren, mampfen im Souterrain flirtende Paare und Einzelgänger Pommes, Sandwichs, Burger. Der Mann hinter einer der vielen kommerziellen Verkaufstheken weiß nichts von einem Coca-Cola-Boykott. Er schenkt die Limonade hier für „Wendy's“ aus.

Ende Dezember verkündete die Leitung der renommierten Alma Mater, sich als zehnte US-Uni dem Boykott gegen den Brausegiganten anzuschließen. Die Firma genüge nicht dem Ethikcode der Uni. Obwohl die Vorwürfe gegen das Unternehmen aus Atlanta schon jahrelang bekannt sind, reichte eine Studentengruppe erst im November 2004 offiziell Beschwerde bei der Univerwaltung ein. Sie verlangte, die Hochschule solle ihren Vertrag mit Coca-Cola auflösen.

Der Markenboykott ausgerechnet durch die angesehensten US-Institutionen trifft damit den bekanntesten Markenartikel der Welt. Coke steht für Fun, Schwung und die Überlegenheit der westlichen Konsumkultur. Kurz, für Amerika selbst.

„Murder – It's the real thing“ nennen die Cola-Gegner ihre Kampagne gegen die „Killer-Coke“ und verdrehen dem Konzern damit den Werbeslogan. Die Aktivisten berufen sich auf Berichte verschiedener Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen (siehe Kästen). Bereits 2001 hatte ein Gericht in Miami eine Klage der US-Stahlarbeiter-Gewerkschaft gegen Coca-Cola wegen ermordeter Gewerkschafter in Kolumbien zugelassen. Allerdings wurde das Verfahren gegen das Coke-Stammhaus 2003 fallen gelassen. Verhandelt wird weiterhin gegen die angeblich unabhängigen kolumbianischen Abfüllfirmen. Trotz aller Unschuldsbeteuerungen scheint man in Atlanta die Aktionen beunruhigt zu verfolgen. „Der eigentliche Umsatzverlust ist gering, das größere Problem ist unser Ansehen“, sorgt sich eine Sprecherin.

Ende Dezember hatte die größte Privatuni des Landes, die New York University, erklärt, so lange keine Coca-Cola mehr auf dem Campus zu verkaufen, bis das Unternehmen den Anschuldigungen nachgeht. Auch bei der Rutgers University in New Jersey, der Santa Clara University in Kalifornien sowie an Hochschulen in Kanada, Großbritannien, Irland und Italien bleiben neuerdings die Coke-Zapfhähne trocken.

Während sich die Anti-Brause-Aktivisten im Campus-Blatt von Ann Arbor weiter kämpferisch geben, schlürfen andere auf dem Weg in Vorlesungen die braune Zuckerlösung mit ungetrübtem Genuss. In Geschäften und Läden in und an der Uni ist von einem Boykott nichts zu bemerken. Die einzigen leeren Automaten stehen in den drei Studentenwohnheimen, die die Uni betreibt.