arbeitsmarktpolitik
: Stellen statt Stückwerk!

Wer einmal eine Hartz-IV-Behörde, beschönigend „Jobcenter“ genannt, von innen sieht und nicht die Ohren vor den Worten verärgerter Betroffener verschließt, bekommt diesen Eindruck: Bei Hartz IV geht schief, was schief gehen kann. Ist es böse Absicht der Reform? Unfähigkeit und Überforderung der Behörden? Oder eine Mischung aus allem? Den Betroffenen ist die Antwort vermutlich egal, ihnen reicht die Realität. Dazu gehört: Die Hälfte der Arbeitsmarktmittel, rund 300 Millionen Euro, wurde im Jahr 2005 in Berlin nicht ausgegeben. Ein Unding.

Kommentar von RICHARD ROTHER

Zwar ist durchaus nicht jede Arbeitsmarktmaßnahme sinnvoll – schon gar nicht sind es die Hartzer 1-Euro-Jobs. Aber ein armes Land wie Berlin kann es sich nicht leisten, Bundesmittel zu verschenken. Verwaltungsfachleuten mag die Begründung einleuchten, der Neuaufbau der Hartz-Behörden aus Bezirks- und Arbeitsämtern sei kompliziert gewesen. Aber das ändert nichts daran, dass das Geld futsch ist. Wie viele anständig bezahlte öffentliche Stellen hätte man damit schaffen können?

Leider gibt es kaum Anlass zur Hoffnung, dass sich in diesem Jahr die arbeitsmarktpolitische Lage grundlegend ändert. Zwar sind die Behörden jetzt einigermaßen arbeitsfähig. Nur an der bundespolitischen Zielsetzung ändert das nichts: möglichst viele Betroffene in 1-Euro-Jobs zu parken, um die Arbeitslosenstatistik aufzupolieren.

Dabei braucht Berlin genau das Gegenteil: das Bekenntnis zu einem ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt, der die öffentliche Infrastruktur ausbaut und den Beschäftigten ein Leben in Würde ermöglicht. Das ein oder andere Modellprojekt, das der rot-rote Senat ankündigt, mag in diese Richtung weisen – ohne eine bundesweite Reform der Hartz-Reform bleibt es Stückwerk.