Eine neue Front im russischen Gaskrieg

Nach Anschlägen auf zwei Pipelines und eine Stromleitung in Südrussland bleibt es in Teilen Georgiens kalt und dunkel.Der Präsident spricht von einem russischen Sabotageakt, Moskau beschuldigt Terroristen. Anti-Putin-Demonstrationen in Tiflis

Auch in Georgien möchte Gazprom Herr des Pipelinenetzes werden

AUS TIFLISKLAUS-HELGE DONATH

Michail Saakaschwili hielt sich nicht erst mit diplomatischen Preliminarien auf. Russland sei ein „prinzipienloser Erpresser“, der einen „schwerwiegenden Sabotageakt“ gegen Georgien verübt habe, meinte der georgische Präsident, als er sich mit einer flammenden Rede im Fernsehen an sein bibberndes Volk wandte.

In der Nacht zu Sonntag waren innerhalb von wenigen Stunden auf russischem Territorium zwei Gaspipelines und eine Stromleitung gesprengt worden, die den Nachbarn im Süden mit Energie versorgen. Eine Tagesration von 5,5 Millionen Kubikmeter Gas ging verloren und 25 Prozent des Strombedarfs wurde nicht gedeckt. Insgesamt fehlten 40 Prozent des landesweiten Energiebedarfs. Inzwischen sprang Nachbar Aserbaidschan mit einer Notlieferung zur Seite.

Für den Präsidenten des Kaukasusstaates schien klar zu sein, wer die Anschläge zu verantworten habe. Moskau geht davon aus, dass Terroristen hinter den Sabotageakten im russischen Süden steckten. 2004 hatten Attentäter in Nordossetien über tausend Menschen in einer Beslaner Schule als Geiseln genommen.

Vizeaußenminister Valeri Tschetschelaschwili klagte, am Sonntag sei es bis in den Abend unmöglich gewesen, Kontakt zu einem Politiker in Russland herzustellen, der über das Ausmaß der Zerstörungen hätte Auskunft geben können. Das russische Außenministerium antwortete ungewöhnlich scharf: Die Reaktion der georgischen Führung sei hysterisch, hieß es. Sie nutze den Vorfall, um eine antirussische Kampagne loszutreten.

In der Hauptstadt Tbilisi errichteten Bürger vor dem Stabsquartier der russischen Armee eine Zeltstadt. Auf Transparenten gaben die Demonstranten dem russischen Kremlchef Wladimir Putin die Schuld an dem abrupten Kälteeinbruch. Die Hälfte der Haushalte saß in der Millionenstadt im Kalten. Georgien erlebt derzeit den härtesten Winter seit Jahren. Nachts fielen die Temperaturen auf minus 15 Grad. Jedoch ist der georgische Energiekonsument nicht verwöhnt. Wegen Überlastung oder Sparmaßnahmen fiel die Stromversorgung häufiger aus. 2003 drehte Russland den Gashahn ab, weil Tbilisi die Rechnung nicht beglichen hatte.

Russlands Gasgigant Gazprom erhöhte im Dezember auch für Georgien den Bezugspreis. 1.000 Kubikmeter Gas kosten 110 US-Dollar, vorher waren es 63 US-Dollar. Vergangene Woche lieferte Georgien Moskau erneut einen Vorwand, erbost zu sein. Wie im Streit mit der Ukraine möchte Gazprom in Georgien Herr des Pipelinenetzes werden, über das auch Armenien beliefert wird. Tbilisi signalisierte Gesprächsbereitschaft, machte dann aber einen Rückzieher.

Die innenpolitische Opposition brandmarkte eine potenzielle Übergabe an Russland als Ausverkauf nationaler Interessen. Die USA legten auch ein Veto ein. Washington gewährte Georgien einen Kredit von 30 Millionen US-Dollar, mit dem auch das Pipelinesystem erneuert werden sollte, und verknüpfte dies mit einem Verkaufsverbot bis 2010. Auf der Suche nach Alternativen baut Georgien auf turkmenisches Gas, das über Iran geliefert werden könnte. Gleichzeitig hofft es längerfristig auf Gas aus Kasachastan. „Die Verknüpfung von Energie- und Sicherheitspolitik steht an oberster Stelle unserer Agenda“, meint Tschetschelaschwili.