Pflüger gibt den Weltmann

Der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger will seiner Partei neue Wählerschichten erschließen – selbst PDS-Wähler. Doch Berlin muss der Hannoveraner erst kennen lernen

Nach der verzweifelten Suche nach einem CDU-Spitzenkandidaten, nach Absagen und reichlich Spott, zeigte immerhin der wenig berlinkundige Kandidat etwas Selbstironie: „Guten Tag, mein Name ist Friedbert Pflüger. Ich möchte Regierender Bürgermeister werden.“ Erst in der vergangenen Woche hatte sich die Union für den parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium entschieden. Gestern stellte die Partei ihren Spitzenmann offiziell vor. Er überraschte mit liberalen Tönen, die aus der Hauptstadt-CDU lange nicht zu hören waren.

Reichlich Pathos erfüllte den schmucklosen Konferenzraum, als Pflüger sagte: „Ich werde mich von niemandem übertreffen lassen in Toleranz“ gegenüber unterschiedlichen Religionen und Lebensweisen. Aber die Grenze dieser Meinungsvielfalt sei klar: „Der Rechtsstaat gilt.“ Beispielhaft offenbare Friedrichshain-Kreuzberg die Probleme und Chancen Berlins: die „noch immer nicht überwundene Trennung zwischen Ost und West“, das „Zusammenleben von Deutschen und Nichtdeutschen“ und das Nebeneinander von Arm und Reich. Konkreter wurde der ehemalige Zögling Richard von Weizsäckers nicht.

In den kommenden Wochen will Pflüger „in erster Linie zuhören“ und „in die Bezirke gehen“. Beispielsweise nach Neukölln, wo der Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Britz für ein Abgeordnetenhausmandat kandidieren will. Eine Koalitionsaussage vermied Pflüger, dessen CDU in Umfragen um 20 Prozent der Stimmen dümpelt. Auch um PDS-WählerInnen will der erklärte „Antikommunist“ bis zur Wahl am 17. September werben.

Die zwölf Bezirkschefs und die Mitglieder des Landesvorstands hatten zuvor einstimmig für Pflügers Nominierung gestimmt. Am 31. März wird ein Landesparteitag den ehemaligen außenpolitischen CDU-Fraktionssprecher im Bundestag offiziell zum Spitzenkandidaten küren.

Der für seine lange Kandidatensuche heftig gescholtene Landesvorsitzende Ingo Schmitt behält seinen Job. Allerdings werde er bei der nächsten Wahl im Mai 2007 „nicht im Wege stehen“, falls Pflüger diese Aufgabe übernehmen wolle. Auch der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Nicolas Zimmer, muss bis auf weiteres nicht dem Polit-Import weichen.

Ein Schattenkabinett hat die Union bislang nicht. „Einzig die Qualifikation“ soll laut Pflüger über einen Senatsposten entscheiden. Als der frisch gekürte Herausforderer ergänzte, weder Parteibuch noch Herkunft seien wichtig, gefroren die Mienen von Landeschef Schmitt und Generalsekretär Frank Henkel. Beide werden Pflügers Personalvorschläge gegenüber der selbstbezogenen, im Westen der Stadt konzentrierten Partei verteidigen müssen. MATTHIAS LOHRE