lehrstellen
: Die demografische Uhr tickt

Problem erkannt, Problem gebannt? Schön wär’s. Leider geht der Paradigmenwechsel beim Thema Ausbildungsplätze nicht so schnell, wie es sich der Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), Eric Schweitzer, vielleicht wünschen mag. Ein ermutigender Anfang ist aber, dass Schweitzer jetzt direkt die Unternehmen auffordert, endlich etwas gegen den drohenden Nachwuchsmangel in der Wirtschaft zu tun.

Kommentar von RICHARD ROTHER

Viel zu lange haben es sich die Unternehmen in der für sie komfortablen Situation des Lehrstellenmarktes gemütlich gemacht. Weil die Zahl der Bewerber die der angebotenen Plätze weit überstieg, konnten sich die Unternehmen, die überhaupt ausbilden, die besten Jugendlichen herauspicken. Um den Rest hatte sich der Staat zu sorgen.

Künftig weht ein anderer Wind. Weil wegen des Nachwende-Geburtenknicks immer weniger Jugendliche auf den Markt drängen, werden sich anspruchsvolle Unternehmen bald um die besten streiten – schließlich muss ja irgendjemand die Arbeit machen, wenn man Gewinne erzielen will. Wer jetzt in Ausbildung investiert, hat also zukünftig einen Vorsprung. Das sollten die Personalmanager in den viel zu vielen ausbildungsresistenten Betrieben bedenken.

Gefordert sind aber nicht nur Betriebe, sondern auch Schule und Eltern. Dass viele Jugendliche die Schule verlassen, ohne vernünftig lesen, schreiben und rechnen zu können, ist nicht akzeptabel. Deren Chancen, einen Beruf zu erlernen, werden auch dann gegen Null gehen, wenn die Bewerberzahlen weiter sinken. Bei aller Kritik an kurzatmigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen gilt: Eine gewisse Grundqualifikation dürfen Unternehmen voraussetzen. Die tickende demografische Uhr ändert daran nichts.