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: Die Chefin der Stasispitzelsuchmaschine

Es bleibt weiter alles offen. Bevor der Bundestag Marianne Birthler heute für weitere fünf Jahre zur Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen wählt, soll sie ihrer Behörde noch 15 Jahre gegeben haben. „Aus fachlicher Sicht“ reiche diese Zeit aus, um die Aufgabe der 1990 gegründeten Behörde zu erledigen, sagte sie laut Spiegel zu CDU-Bundestagsabgeordneten. Doch ihr Sprecher und Vertrauter Christian Booß dementiert: „Ein Ende der Debatte um die Stasi-Unterlagen ist nicht abzusehen.“

Diese Ungewissheit passt zu Birthlers Strategie. Sie kämpft für den Erhalt ihrer Behörde beim Aufarbeiten der DDR-Geschichte – irgendwo zwischen dem Bundesarchiv und der Stiftung Aufarbeitung. Von zeitlicher Begrenzung redet die 58-Jährige bisher nicht, konkrete Konzepte für die Zukunft lassen auf sich warten. Statt dessen stellt sie geschickt die Bedeutung ihrer Spitzelsuchmaschine heraus – mal lauter, mal leiser.

Laut war es, als sie sich mit dem Nationalen Olympischen Komitee anlegte. Dem warf sie vor, seine Offiziellen für die Winterspiele nur unwillig auf frühere Stasi-Mitarbeit überprüfen zu lassen. Dort schrie man ebenso laut auf wie der frühere taz-Mitarbeiter Hagen Boßdorf, dem der NDR den bereits zugesagten Posten als Sportchef nicht mehr geben will, weil er IM gewesen sein soll. Boßdorf beschimpfte die Akten-Arbeiter daraufhin medienwirksam als „Jagdverein für Ostdeutsche“, Birthler forderte ebenso medienwirksam eine Entschuldigung.

Ganz leise und mit schlichten Zahlen entkräftete sie dagegen Vorwürfe, ihre Behörde sei nicht mehr bedeutend. 90.000 Anträge auf Aktenüberprüfung habe es 2003 und 2004 jährlich gegeben, hieß es im Herbstbericht. Fazit: „Die Aufgaben meiner Behörde sind auf absehbare Zeit noch nicht erfüllt.“

Birthler reines Interesse am Arbeitsplatzerhalt für ihre Archivare zu unterstellen, wäre falsch. Dazu liegt der früheren DDR-Bürgerrechtlerin das Thema Stasi-Aufklärung zu sehr am Herzen. So trat sie 1992 – in einer Zeit, als Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) vielen Brandenburgern als Übervater galt – wegen der Stasi-Vorwürfe gegen ihn als Bildungsministerin zurück. Dafür erntete sie neben Lob auch viele böse Worte. Birthler, geschieden und Mutter von drei Töchtern, die auch im Beirat für Transparency International und im Senat der FU Berlin sitzt, weiß ihre Herzensanliegen mit dem für sie Nützlichen zu verbinden.

Es gibt keine „Ewigkeitsgarantie“ für die Behörde. Doch weder SPD noch CDU haben Bedingungen an eine Wiederwahl Birthlers geknüpft. Und so wird diese es wohl schaffen, dass für weitere fünf Jahre alles offen bleibt. DANIEL SCHULZ