„Wenn Berlusconi die Wahl verliert, werde ich Ministerpräsident“

Maurizio Antonini ist Doppelgänger von Berlusconi. Gestern hat er sich in Davos öffentlich für Italiens Ministerpräsident entschuldigt. Im März kommt er mit einem Anti-Berlusconi-Film in die Kinos. Ist das politische Guerilla?

VON SUSANNE LANG
UND PETER UNFRIED

taz: Herr Antonini, kam Ihre Entschuldigung für den Einsatz des italienischen Staates gegen Globalisierungskritiker in Genua aus vollem Herzen?

Maurizio Antonini: Ja, natürlich. Allerdings habe ich mich nur stellvertretend entschuldigt. Aber ich muss auch sagen, dass die italienische Regierung nicht allein die Verantwortung für die Ausschreitungen trägt. Es gab ja auch aufseiten der Linken viele gewaltbereite Extremisten.

Wie reagieren linke Aktivisten auf Sie, den Doppelgänger? Werden Sie attackiert?

Antonini: Mir ist noch nie was passiert. Und Beschimpfungen nehme ich mit Humor, denn ich bin ja gar nicht Silvio Berlusconi. Ich bin Maurizio Antonini.

Berlusconi bleibt eine problematische Figur.

Antonini: Sie werden lachen, aber je länger ich Berlusconi imitiere, desto öfter verteidige ich ihn, weil ich mich ihm näher fühle. Langsam habe ich auch das Gefühl, nur deshalb für ihn zu sein, weil wirklich alle anderen gegen ihn sind.

Wie bitte? Herr Stahlberg, was sagen Sie als Regisseur des Anti-Berlusconi-Films dazu?

Jan Henrik Stahlberg: Ich finde das sehr skurril, bedenklich und komisch zugleich. Bereits beim Casting war klar, dass unsere politischen Meinungen sehr verschieden sind. Im Grunde spiegelt das ein italienisches Phänomen wider: Ich habe so viele Leute erlebt, die gegen Berlusconi sind. Aber untereinander waren sie sich alle uneinig. Und diese Schwäche der „Linken“ ist in meinen Augen die größte Stärke Berlusconis.

Frau Chiarla, Sie sind Italienerin und Berlusconi-Gegnerin. Wie können Sie mit der politischen Einstellung Ihres Hauptdarstellers leben?

Lucia Chiarla: Am Anfang hatte ich damit große Probleme, nicht weil Maurizio für Berlusconi war, sondern weil er es nicht begründen konnte. Das nervt mich allgemein bei Berlusconi-Anhängern: Man kann nie diskutieren, es ist immer ein Kräftemeierei. Mittlerweile finde ich Maurizios persönlichen Widerspruch aber lustig. Er ist immer mehr in seine Berlusconi-Rolle geschlüpft.

Herr Antonini: Der Film wie auch die politische Aktion „Bye bye Berlusconi“ wollen Berlusconi demontieren. Sie finden ihn aber gut?

Antonini: Ich glaube nicht, dass unser Film Berlusconi brüskieren wird. Er ist Unterhaltung. Für mich hat Berlusconi ein gewinnendes Wesen. Er ist ein Politiker der Zukunft, der auch sehr viele gute Sachen macht, über die die Linken nie sprechen.

Stahlberg: Das tut mir auch sehr leid für ihn. Schließlich hat er nur acht eigene Fernsehkanäle, um seine Sicht der Dinge zu verbreiten. Und das tut er dann auch rund um die Uhr.

Antonini: Ich glaube, die Leute sind neidisch. Weil er in der Politik ja auch was bewegt hat. Warum hat die Linke ihn denn überhaupt ins Parlament gelassen, wenn er so schlimm ist? Weil sie ihn alle unterschätzt haben. Und ihr werdet sehen: Jetzt gewinnt er die Wahl noch einmal.

Stahlberg: Das Schlimme ist, dass diese Chance mit seiner Medienmacht tatsächlich besteht.

Chiarla: Es ist in Italien sehr schwierig, in den Medien zu sagen, was man denkt. Und das Kino ist ja finanziell abhängig vom Fernsehen – und damit von Berlusconi. Vor allem Journalisten stehen unter großem psychologischem und auch sehr realem Druck: Sie haben Angst, ihren Job zu verlieren. Es geht ja heute Gott sei Dank nicht so sehr um eine reale körperliche Bedrohung. Die gab es in der Zeit des Faschismus oder in den Prozessen gegen die Verstrickung der Regierung mit der italienischen Mafia. Dennoch kann man im Moment eine große Solidarität unter Künstlern und Intellektuellen spüren, zum Beispiel in Internet-Bloggs.

Herr Antonini, werden Sie denn im April für Berlusconi stimmen?

Antonini: Im Unterschied zur letzten Wahl werde ich wählen gehen, ja und zwar Berlusconi.

Haben Sie gar keine Angst vor ihm? Immerhin stellen Sie ihn als Schmierenkomödianten aus, wie zuletzt bei der Filmpremiere von „King Kong“ in Berlin, wo sie den Ministerpräsidenten mit Uh-Uh-Rufen als Gorilla inszenierten.

Antonini: Nein, Berlusconi hat durchaus einen Sinn für Satire. Außerdem bin ich kräftiger und größer als er, ich kann mich wehren. Bei der Premierenfeier habe ich improvisiert, ich wollte ihn aber nicht demaskieren.

Stahlberg: Auch wenn ich da meinem Hauptdarsteller widersprechen muss: Aber das wollten wir natürlich schon. Und auch genau mit dieser Gorillageste.

Herr Stahlberg, wollen Sie mit Ihren Doppelgänger-Aktionen Berlusconi mit seinen Mitteln schlagen, mit einer Medienkampagne?

Stahlberg: Eine Kampagne ohne Medien ist keine. Wir konzentrieren uns auf ungewöhnliche Aktionen und das Internet. Denn das kann Berlusconi nicht steuern, und der Film wird allein dadurch im ach so freien Italien zum Politikum, dass man ihn nicht sehen kann.

Soll Ihr Film tatsächlich nicht nur Kunst sein, sondern politische Aktion?

Stahlberg: In erster Linie bin ich Filmemacher. Aber Berlusconi ist einer der reichsten Männer der Welt, und er regiert Italien so eigennützig wie ein Unternehmer. Das macht ihn zu einer Figur für politische Angriffe. Es ist uns ein Dorn im Auge, dass Berlusconi ein Land wie Italien an den Rand der Realsatire gebracht hat. Daher wollen wir ihn demontieren und entlarven, und zwar auf eine auffällige, respektlose und humorvolle Art.

Ähnlich wie in Ihrem Film „Muxmäuschenstill“ reizen Sie auch diesmal mit einer blutigen Entführung den gesellschaftlichen Wertekonsens aus. Gehen Sie zu weit?

Stahlberg: Es bleibt ein Film – in echt würde ich Berlusconi ja auch nicht entführen wollen. Klappt wahrscheinlich auch nicht. Am Ende führen die Terroristen einen Internetprozess gegen Berlusconi, die Entführung ist ja nur Mittel zum Zweck. Nach dem Motto „Wenn Berlusconi nicht zum Gericht kommt, dann kommt das Gericht eben zu ihm“. Die Vorwürfe, die wir ihm im Film machen, sind ja alle real und wirklich gegen ihn erhoben worden. Das verstört sicherlich den Zuschauer, weil es die humorvolle Inszenierung des Prozesses im Film konterkariert. Und er im wahren Leben immer wieder ungeschoren davonkommt.

Chiarla: Am Set haben wir über genau diese moralischen Fragen sehr viel diskutiert. Sollen die Terroristen die Bodyguards und Berlusconi töten oder nicht? Wir wollten die Terroristen auf keinen Fall zu Helden stilisieren, aber man muss auch glaubwürdig bleiben: Unsere Terroristen sind gewaltbereite Menschen. Ich war daher auch dafür, dass wir im Film nicht mit albernen Schreckschusspistolen hantieren. Aber natürlich lernen die Terroristen dazu: Sie wollen Berlusconi am Ende nicht töten, sondern ihm im Internet einen fairen Prozess machen.

In Deutschland wird das Gewaltmonopol des Staates nach dem Trauma RAF im Wesentlichen auch von Linken nicht mehr bestritten.

Stahlberg: Deshalb bin ich auch sehr gespannt, wie der Film in Deutschland aufgenommen wird. Dadurch dass alle unisono gegen Berlusconi sind, ist die Bereitschaft, über ihn zu lachen, hier viel größer. In Italien ist das anders. Der Respekt vor dem Amt des Ministerpräsidenten ist auch bei Berlusconi-Gegnern sehr groß.

Wie kommt es an, dass ausgerechnet eine deutsche Produktion gegen Berlusconi agitiert?

Stahlberg: Tatsache ist nun mal, dass wir diesen Film niemals in Italien hätten herstellen können. Denn niemand investiert gerne Geld in einen Film, der einen dann noch den Job kostet.

Chiarla: Der Film verstört in Italien auch, weil er sehr direkt ist. Italienische Berlusconi-Kritik ist für gewöhnlich in sehr allegorische Geschichten verkleidet. Unsere Kritik ist hingegen sehr konkret und sehr direkt. Wir lassen ihn entführen und nennen seinen Namen.

Was kann der Film bewirken?

Chiarla: Er wird nicht die Wahl bestimmen, aber vielleicht regt er eine Debatte an, die in Italien öffentlich nicht mehr stattfindet. Es ist wichtig, dass Künstler und Filmemacher sagen, was sie denken.

Antonini: Viele der Vorwürfe der Linken sind doch Lügen! Auch die Prozess- Anschuldigungen.

Chiarla: Das ist das, was Berlusconi sagt, ja. Er ist ja auch sehr geschickt. Wenn die Richter ihn fragen, nimmt er das Recht der Aussageverweigerung in Anspruch, um dann eine freie Aussage zu machen, in der keine Fragen gestellt werden dürfen und er seine Sicht ungestört und unkritisiert darstellen kann. Früher hat die korrupte italienische Regierung kritische Richter ausschalten lassen. Berlusconi hat heute eine viel clevere und sauberere Strategie. Er ändert einfach die Gesetze, dann sind sogar kritische und integre Richter machtlos gegen ihn.

Gibt es eine Chance, dass Berlusconi am 9. April abgewählt wird?

Chiarla: Das ist schwer vorauszusagen. Momentan etwa läuft wieder eine große Kampagne gegen die Linke. Aber deshalb ist ja Gegeninformation so wichtig.

Antonini: Ich möchte der Linken noch etwas sagen: Wenn Berlusconi verliert, werde ich antreten und die nächste Wahl zum Ministerpräsidenten gewinnen. Wie Arnold Schwarzenegger in Kalifornien!