Nur ein neuer Köder von Microsoft

Die Konkurrenz des Softwaregiganten lehnt den jüngsten Vorstoß im EU-Kartellstreit ab

BERLIN taz ■ Es sollte ein Befreiungsschlag für Microsoft werden: Im Rechtsstreit mit der EU-Kommission kündigte das Unternehmen am Mittwoch an, Teile des Quellcodes seines Betriebssystems „Windows Server“ an Konkurrenten zu lizenzieren. Dieser Text in einer Programmiersprache ist die Urfassung jedes Programmes und wurde von Microsoft bisher geheim gehalten. Die Konkurrenz ist nicht zufrieden. „Die Entscheidung ist wertlos und verschlechtert die Situation sogar“, sagt Georg Greve, Präsident der Free Software Foundation Europe, der taz. „Microsoft will den Quellcode veröffentlichen, nach dem niemand gefragt hat. Entwickler können aber nur etwas mit klar definierten Schnittstellen anfangen.“

Microsoft reagierte mit seiner Ankündigung auf den Druck der EU-Kommission. Diese hatte dem Softwarekonzern eine Frist bis 15. Februar gesetzt. Bis dahin muss Microsoft wichtige Spezifikationen des Betriebssystems offenlegen. Wettbewerbern soll es so leichter fallen, Programme zu schreiben, die mit „Windows Server“ zusammenarbeiten.

Wie so oft geht es natürlich um viel Geld: Microsoft besitzt ein faktisches Monopol für die Software, mit der Unternehmen ihre Computernetze verwalten.

„Windows Server“ heißt das am meisten verwendete Betriebssystem in diesem Bereich. Es stellt zum Beispiel sicher, dass sich Nutzer an jedem PC im Netzwerk anmelden können, und koordiniert den gemeinsamen Zugriff auf Dateien. „Das ist ein extrem großer Markt, fast jedes Unternehmen benötigt diese Funktionalität“, sagt Greve.

Nur ein einziger ernsthafter Konkurrent ist übrig geblieben: das Freie-Software-Projekt „Samba“, das zusammen mit dem Betriebssystem Linux eingesetzt wird und die Funktionen von „Windows Server“ vollständig nachahmt. Auch Konzerne wie IBM und HP haben sich an Samba beteiligt, um im Servermarkt einen Microsoft-Gegenspieler zu etablieren.

Doch um „Windows Server“ vollständig zu ersetzen, müssen die Entwickler von Samba die Regeln der „Sprache“ genau kennen, mit der das Betriebssystem von Microsoft kommuniziert. Wie baut es einen Satz auf? Wie sieht das Wörterbuch aus? Microsofts Kompromiss ist weit davon entfernt, davon etwas preiszugeben: „Was Microsoft jetzt mit dem Quellcode offenlegen will, ist ein Roman in einer verkorksten Sprache – und nicht das Wörterbuch“, erklärt Georg Greve.

Gerade für Samba kann sich Microsofts jüngste Offerte als Giftpackung erweisen. Denn auch bei einer Lizenzierung des Quellcodes verbleiben die Eigentumsrechte bei Microsoft. „Wer den Quellcode gesehen hat und ein funktional ähnliches Programm schreibt, kann jederzeit von Microsoft verklagt werden“, sagt Greve.

Entsprechend reserviert reagierte die EU-Kommission auf Microsofts Vorstoß: „Ob die Auflagen erfüllt sind, entscheiden wir, nicht Microsoft“, sagte ein Sprecher der Kommissarin Neelie Kroes. TARIK AHMIA

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