Immer der Nase nach

In einer kleinen kalifornischen Klinik werden Hunde zur Diagnose von Krebs eingesetzt. An der Atemluft von Patienten können die Tiere erschnüffeln, ob eine Krebserkrankung vorliegt. Bei Schnüffeltests stellten die Hunde fast immer die richtige Diagnose

Die Idee, dass Hunde Tumore erschnüffeln, ist „keineswegs verrückt“

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

Nicht nur Kommissar Rex hat stets die richtige Nase. Immer mehr Hunde werden ihrer hoch empfindlichen Nase wegen zu professionellen Schnüfflern ausgebildet. Dabei ist die Zoll- und Drogenfahndung nur einer der ältesten Berufsfelder der Kaniden. Hunde arbeiten außerdem beim Aufspüren von Bomben oder von Lawinen und Erdbeben Verschütteten. Neu in Deutschland sind Brandmittelspürhunde. Sie sind die neuen Kollegen der Polizei im Kampf gegen Brandstiftungen und „heiße Sanierungen“. 15 von ihnen sind seit kurzem im Einsatz. Ihr Vorteil: Selbst sechs Wochen nach Bränden findet ein Hund noch geringste Spuren von Brandbeschleunigern im Geruchschaos einer Brandstelle. In den USA werden seit kurzem Hunde auch bei der kommerziellen Bausanierung und Schimmelerkennung eingesetzt. Und nicht nur das. Auch die Onkologie experimentiert gegenwärtig mit Hunden in der Krebsfrühdiagnose.

Die Nase des Hundes besitzt etwa 20- bis 40-mal mehr Riechzellen als die des Menschen. Wo wir maximal im Prozentbereich riechen, können Hunde noch milliardstel Anteile in der Luft wahrnehmen. Hunde bedienen sich dabei einer Schnüffeltechnik, indem sie bis zu 300-mal pro Minute einatmen. Dadurch wird die Luft zu den Riechzellen hin gewirbelt, und die Riechleistung vervielfacht sich. Dann kann ein Hund Gerüche etwa eine Million mal besser wahrnehmen als der Mensch.

Eine kleine, wenig bekannte Klink in Kaliforniens Marin-County nimmt für sich in Anspruch, die erste Klinik zu sein, die in der Krebsfrüherkennung mit Hunden experimentiert.

Angeblich nichts Neues, denn bereits vor 3.000 Jahren soll chinesischen Ärzten bekannt gewesen sein, dass Hunde Krankheiten erriechen können. Die Klinik hat fünf Hunde trainieren lassen, drei Labradors und zwei portugiesische Wasserhunde, um Lungen- und Brustkrebs im Atem der PatientInnen erschnüffeln zu lassen. Ihre Behauptung: Die Hunde erzielen eine Treffsicherheit von 99 Prozent.

Seit den Achtzigerjahren ist bekannt, dass Tumore winzige Mengen von Alkanen und Benzol-Derivate verströmen, die in gesundem Gewebe nicht vorkommen. Britische Tests hatten nahe gelegt, dass Hunde sowohl Hautkrebs erschnüffeln wie auch getrocknete Urinproben von Gesunden und an Blasenkrebs Erkrankten unterscheiden können. Allerdings nicht mit einer solch soliden Testgrundlage, wie sie jetzt die kalifornischen Onkologen vorgelegt haben.

Krebsexperten des M. D. Anderson Krebszentrums in Houston, Texas, die die Studie der von der Pine Street Stiftung geförderten Klinik evaluierten, sind zwar nach wie vor skeptisch, aber auch fasziniert. Selbst Michael McCulloch, der Forschungsdirektor der Klinik, sagte, sein Testergebnis erscheine fast zu schön, um wahr zu sein. Bei Brustkrebs tests diagnostizierten die Hunde in 88 Prozent der Fällen richtig, ohne falsche „Positiv“-Alarme, was ein besserer Schnitt sei als der von Mammogrammen. Die Skepsis rühre daher, so McCulloch, dass die Versuchsreihe in einer Klink durchgeführt wurde, die klassische Krebsbehandlung mit Akkupunktur und Kräutermedizin kombiniere. Außerdem sei die Studie nur in dem wenig bekannten Journal Integrative Cancer Therapies im vergangenen Jahr online veröffentlicht worden.

Bombenhunden gleich wurden die kalifornischen Tiere an Geruchsproben ausgebildet. Die Klinik sammelte in mit Polypropylänwolle gefüllten Plastikcontainern Atemproben von 55 mit Lungenkrebs und 31 mit Brustkrebs diagnostizierten, aber noch nicht behandelten PatientInnen. Dazu von 83 Gesunden, in allen Gruppen waren Raucher und Nichtraucher vertreten und die Proben wurden stets im selben Raum genommen. Rochen die Hunde Krebs, sollten sie sich hinsetzen. Beim Lungentumor zeigten die Hunde 564-mal korrekt und 10-mal falsch an, was eine Erfolgsquote von 99 Prozent ergab.

Der nächste Schritt müsse sein, so die Evaluierer, dass die Krebsforschung nun herausfinden müsse, auf welche Substanzen genau die Hunde reagierten, um anschließend elektronische Nasen entwickeln zu können. Die seien in Zukunft im Klinikbetrieb eher einsetzbar als Hunde.

Die Experten konnten jedenfalls an der vorliegenden Studie keinerlei methodische Fehler entdecken. Die Idee, dass Hunde Tumore erschnüffeln, sei „keineswegs verrückt“, erklärte Ted Gansler von der Amerkanischen Gesellschaft für Krebsforschung. „Es ist biologisch plausibel, aber wir müssen noch eine ganze Menge forschen.“ Es wäre „großartig“, wenn diese Methode anwendbar wäre, um weltweit Gesundheitssysteme zu entlasten – und auch in armen Ländern Krebs besser und früher zu diagnostizieren, so die Klinik.

Infos: www.psmerg.org/articles/canine.html