Palästinenser in Berlin sind für Hamas

Überrascht hat die 25.000 in Berlin lebenden Palästinenser der Hamas-Wahlsieg nicht. Zu groß waren die Enttäuschungen über die Fatah-geführte Autonomiebehörde in Palästina. Deshalb begrüßen sie den Ausgang der Wahl mehrheitlich

VON CIGDEM AKYOL

Der Sieg der radikalislamischen Hamas bei den Parlamentswahlen in Palästina ist von den in Berlin lebenden Palästinensern mehrheitlich begrüßt worden.

Ghassan Abusamra ist Vorsitzender der Vereinigten Palästinensischen Gemeinde Berlin-Brandenburg, der mit 1.200 Mitgliedern größten palästinensischen Interessenvertretung in der Stadt. Auch ihn überrascht der Wahlausgang nicht, denn die von der Fatah geführte Autonomiebehörde habe die Palästinenser enttäuscht. „Wir haben der ganzen Welt gezeigt, wie demokratisch wir sind“, freut er sich.

Ghassan Abusamra war vor zwei Wochen in Gaza und hat den Wahlkampf der palästinensischen Parteien hautnah miterlebt. Nun hofft er auf den Ausbau der Sozial- und Bildungssysteme in den palästinensischen Gebieten. Doch er weiß auch, dass die neue Regierung auf dem politischem Parkett nicht willkommen ist. „Die Israelis haben die meiste Schuld an unserer politischen Isolation“, behauptet er.

Mehr als 1,4 Millionen Palästinenser durften gestern erstmals seit zehn Jahren ein neues Parlament wählen. Die Abstimmung gilt als wegweisend, weil die militanten Islamisten der Hamas zum ersten Mal in den politischen Prozess eingebunden wurden.

Ahmad Seoud ist Abusamras Amtsvorgänger. Er hat die ganze Nacht nicht geschlafen, saß vor dem Fernseher und verfolgte gebannt die Nachrichten. Dass die Hamas gewonnen hat, überrascht den 60-Jährigen nicht. „Die Partei hat in den besetzten Gebieten viel für die Bevölkerung getan“, sagt Seoud. Seit 35 Jahren lebt er in Berlin und verfolgt die politische Situation in seiner Heimat. Er kritisiert die Ankündigung der Hamas, nach ihrem Einzug ins Parlament die Waffen nicht niederzulegen. „Mit Waffen erzwingt man keinen Frieden.“

Deab Freige arbeitet für den arabischen Verein Al Huleh. Er sorgt sich ebenfalls um den Friedensprozess im Nahen Osten. Denn der Sieg der Hamas könnte die Friedensverhandlungen zum Stillstand bringen. Freige fordert ein „Umdenken der Hamas“ und mahnt die Palästinenser zur Zurückhaltung.

In Berlin leben etwa 25.000 Menschen palästinensischer Herkunft. Sie konnten jedoch nicht mitwählen, denn es gibt keine offizielle diplomatische Vertretung Palästinas in Berlin.

Dass die Israelis die meiste Schuld an der Isolation der Palästinenser haben, findet Renee Abul-Ella. „Die Waffenruhe hängt nicht von uns ab“, sagt die Vorsitzende des arabischen Frauenvereins Al Dar. Die Palästinenser seien schon immer für den Frieden gewesen, aber Israel ziehe die Mauer immer höher. Die in Haifa geborene Palästinenserin glaubt an keine politischen Änderungen nach dem Hamas-Wahlsieg. „Denn es gibt keinen Friedensprozess, den man stoppen könnte.“

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