WASG ist überzeugter Single

Die Botschaft einer WASG-Grundsatzkonferenz ist eindeutig: Zur Wahl will man allein antreten – und gegen die Linkspartei. Um das durchzusetzen, nutzt der Vorstand alle Regeln der Parteitagsregie

von ULRICH SCHULTE

Deutlicher kann eine Botschaft nicht sein. Das erste der vereinbarten öffentlichen Annäherungsgespräche mit der Linkspartei steht noch aus, schon erklärt WASG-Vorstand Michael Prütz es öffentlich für gescheitert: „Nach menschlichem Ermessen wird es keine Einigung mit dieser sozialliberalen Partei geben. Wir werden allein kandidieren, und wir werden erfolgreich sein.“

Die WASG hatte am Samstag zur Grundsatzkonferenz ins IG-Metall-Haus geladen. 200 AktivistInnen kamen, und fast alle waren sich einig: Nie und nimmer mit Liebich, Wolf und Co. Keiner formulierte die Ablehnung einer trauten Zweisamkeit zur Abgeordnetenhauswahl im September so geschliffen wie Prütz: „In Berlin sind wir nicht wie verfeindete Brüder – wir haben schlicht andere Interessen.“ Referenzpunkt der Linkspartei sei die Haushaltssanierung, Referenzpunkt der WASG seien die Menschen. „Sollen wir den Anspruch für eine Idee opfern, die der vereinigten Linken?“

Für solche Sätze gab es Applaus im beige getäfelten Gewerkschaftsraum. Es galt die Regel: Wer die Linkspartei angreift, punktet. Michael Kronawitter von der Antifaschistischen Linken Berlin etwa glaubt nicht, dass die Ex-PDS einen freieren Geist in die Stadt gebracht hat: „Es fehlt eine Stimmung, in der Repression, etwa durch die Polizei, skandalisiert wird.“

Auch die Liste der Sparsünden, die die WASG ihr vorwirft, ist lang: Umsetzung von Hartz IV, Lohnkürzungen bei der BVG, Sparen bei Jugendeinrichtungen. Die Linkspartei sei im Land zum „neoliberalen Exekutor mutiert“, sagt WASG-Haushaltsfachmann Birger Scholz, und somit als Partnerin nicht akzeptabel.

Die Kritik am rot-roten Kaputtsparen ist schwer von der Hand zu weisen, allerdings bleibt das linke Gegenrezept simpel: Zahlen soll der Bund. Das Land müsse vor dem Bundesverfassungsgericht 50 Milliarden Euro einklagen, sagt Scholz. Der Finanzsenator hofft auf 35 Milliarden. „Das Land scheut den Konflikt mit der Bundesregierung.“

Die Konferenz zeigte, wie weit die Parteiwerdung der WASG schon fortgeschritten ist. Die Organisatoren haben jedenfalls die klassische Parteitagsregie schon verinnerlicht – und gleich in zweierlei Hinsicht. Zunächst lief die Diskussion erstaunlich diszipliniert. Die Podiumsdiskutanten hielten ihre Zeit fast exakt ein (15 Minuten fürs Eingangsreferat), selbst abschweifende Mitredner (2 Minuten für die Wortmeldung) brachte ein leises Klopfen des Moderators an seine Wasserflasche zur Räson.

Neben solchen Formalia hatte man aber auch die Inhalte geschickt in Bahnen gelenkt. In den zwei Diskussionsrunden vertraten zwei erklärte Befürworter eines eigenständigen Wahlantritts die Berliner Wahlalternative – Lucy Redler (siehe Interview), Mitglied im geschäftsführenden Vorstand, und Michael Prütz, der im erweiterten Vorstand sitzt. Der WASG-Flügel, der für gemeinsamen Wahlantritt mit der Linkspartei votiert, redete nur aus dem Publikum mit.

Sein wichtigster Vertreter, Klaus-Dieter Heiser, Neuköllner und ebenfalls im erweiterten Vorstand, sagt: „Das war kein Zufall, sondern Konzept: Die Veranstaltung sollte bei anderen Landesverbänden für eine eigenständige Linie werben.“ Heiser will bis zur Urabstimmung in vier Wochen weiter für ein Miteinander eintreten. „Eine Konferenz wie diese schadet den anstehenden Gesprächen.“

Morgen treffen sich Akteure von WASG und Linkspartei, um die Termine für die drei verabredeten Gesprächsforen festzuklopfen. Sie wollen Themen wie Haushaltspolitik oder die Privatisierung von Landesbetrieben öffentlich besprechen. Auch um einen gemeinsamen Wahlantritt zu ermöglichen, hieß es einmal. Für die WASG-Spitze scheint dieses Ziel nach der Konferenz erst mal gegessen – dazu passte das Mittagsbuffet. Linseneintopf gebe es, verkündete ein Schild, „mit Nullbockwurst“.