TBB und Deutschpflicht
: Kampf gegen den eigenen Erfolg

Diskriminierung anzuprangern und dagegen zu mobilisieren ist Ziel und Aufgabe der türkischen Organisationen – und der Mehrheitsgesellschaft selbstverständlich auch. Das geht am besten, indem Angehörigen von Minderheiten zu Mitbestimmungsrechten, zu gesellschaftlicher Beteiligung, eben zu Stimme und Gehör verholfen wird. Der Türkische Bund Berlin (TBB) hat daran lange und mit beachtlichem Erfolg gearbeitet – vielleicht zu erfolgreich.

Kommentar von Alke Wierth

Derzeit scheint der TBB gegen die Ergebnisse seiner Arbeit anzukämpfen. „Emanzipiert euch!“, hat er den Angehörigen der Zuwanderer-Communities zugerufen. Dann nutzen an einer Weddinger Schule Eltern und Kinder aus Migrantenfamilien ihre Freiräume, Gesellschaft mitzugestalten. Sie führen eine Deutschpflicht auf dem Schulhof ein, abgestimmt mit Lehrern, Eltern und Schülern. Nun werden sie von jenen, die für solche Mitbestimmung gestritten haben, der Diskriminierung angeklagt.

Der Konflikt zeigt, wie vielfältig und differenziert die Ansichten und Strategien in Sachen Integration unter den Zuwanderern mittlerweile sind. Welche Rolle dem Bewahren der Herkunftskultur beigemessen wird, entscheiden Migranten individuell. Das ist ein Anzeichen für Emanzipation – und es ist ein gutes. Denn das Selbstbestimmungsrecht darüber, wie und wie weit Integration geht, ermöglicht Zuwanderern, sich ohne Angst vor dem Verlust der Herkunftskultur am Leben hier zu beteiligen. Integration ist Vereinbarung, keine Zwangsmaßnahme – egal von wem.

Hinter der ablehnenden Reaktion des TBB auf diese Emanzipation verbirgt sich auch ein Machtanspruch. Doch die Angst der Organisation davor, sich überflüssig zu machen, indem sie ihr Ziel erreicht, ist unbegründet. Bis Verbände wie der TBB reine Folklorevereine werden, muss noch viel für Mitbestimmung und gegen Diskriminierung getan werden. Der TBB könnte sich also auf die wirklichen Konflikte konzentrieren – und die Debatte um das Pflichtdeutsch viel entspannter sehen.

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