Bewegliche Strukturen

Berlin bekommt eine hochschulübergreifende Tanzausbildung. Finanziert wird sie durch die Kulturstiftung des Bundes und das Land. Noch in diesem Jahr sollen die Studiengänge starten

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Die Tanzszene der Stadt ist seit Jahren in Bewegung. Ein Grund dafür: Der zeitgenössische Tanz gehört zu den wenigen Gewinnern der Bemühungen um Strukturreformen der Kulturpolitik des Bundes und des Landes Berlin. So kommt der Schwerpunkt Tanz im Programm des Hauptstadtkulturfonds der Compagnie von Sasha Waltz und dem Festival „Tanz im August“ zugute; der TanzRaumBerlin, ein Zusammenschluss der Freien Szene, wurde mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Kultur vor einem Jahr gegründet; die TanzZeit, ein Projekt für Kinder, kam mit dem Engagement von Tänzern und Schulen zustande. Der jüngste Coup ist einem Programm der Kulturstiftung des Bundes zu verdanken: dem Tanzplan-vor-Ort. Mit dessen Hilfe kann in Berlin ein hochschulübergreifendes Zentrum für professionelle Tanzausbildung gegründet werden.

Ulrike Becker, die 1988 die TanzWerkstatt Berlin mitgegründet hat und seitdem mitleitet, gehört zu den Personen, die auf das Fehlen einer solchen Ausbildung in der Stadt schon seit zwei Jahrzehnten hinweisen. Als Veranstalterin kennt sie die internationalen Zentren des Tanzes; wer als Tänzer und Choreograf etwas werden wollte, musste sich um eine Ausbildung in Amsterdam, Brüssel oder New York bemühen. Mit der neuen Hochschule soll sich das ändern. „Tanz wird damit auch als Bildungsgut anerkannt“, sagt sie.

Zwei Studiengänge

Der Zusammenschluss der freien Szene im TanzRaumBerlin hat diese positive Entwicklung vorbereitet. Nur so konnten sie zum Partner des Senats und der beiden Hochschulen Universität der Künste (die Tanz bisher nur in der Musicalausbildung lehrt) und der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Buch (die bisher einen choreografischen Studiengang anbietet) werden. Jetzt werden gemeinsam zwei Studiengänge, Master und Bachelor, für voraussichtlich 25 Studenten in einer vierjährigen Pilotphase aufgebaut.

„Die besondere Herausforderung ist, eine Struktur zu bauen, die sich selbst erneuern kann“, sagt Barbara Friedrich, Mitbegründerin des TanzRaumBerlins. Der Feind jeder Tanzausbildung sei die Verschulung, und um der zu entkommen, will Berlin ein neues Modell wagen. „Das Bild des Tänzers und Choreografen hat sich in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert“, ergänzt Jochen Sandig, der als Produzent von Sasha Waltz ebenfalls im TanzRaum mitarbeitet. „Wir brauchen eine Ausbildung, die auf beides vorbereitet und nicht zwischen Autor und Interpreten trennt.“

Dass sich die Akteure des TanzRaums mit den Hochschulen, der Staatlichen Ballettschule und den Staatssekretären für Wissenschaft und Kultur gemeinsam an ein Konzept setzten, wurde auch durch den Tanzplan-Vor-Ort der Kulturstiftung des Bundes motiviert. Die Mittel, die sie zur Verfügung stellen, sind als Anschub gemeint: Die Stadt muss Gelder in gleicher Höhe aufbringen und das Projekt langfristig weitertragen.

Die Staatssekretärin für Kultur, Barbara Kissler, betonte denn auch, dass die 1,2 Millionen Euro, die aus Landesmitteln für die nächsten vier Jahre beigesteuert werden, „frisches Geld“ sind und nicht an anderer Stelle im Tanz eingespart werden. Es war das erste Mal, dass sie gemeinsam mit dem für Hochschulen zuständigen Abteilungsleiter Bernhard Kleber eine Neugründung vorstellen konnte.

Vom Tanzplan erhält das Projekt 260.000 Euro in der Entwicklungsphase bis Ende des Jahres 2006, und mehr ist nach einer Evaluierung reserviert. Diese mehrstufige Verabredung sei notwendig, begründete Madeline Ritter, die Leiterin des Tanzplans, weil die Struktur, in die man investieren will, erst entstehen muss.

Beirat wird einberufen

Jetzt stehen viele Arbeitsschritte an: die Einberufung eines wissenschaftlichen Beirats, zu dem die Tanzwissenschaftlerin Gabriele Klein aus Hamburg und der Choreograf William Forsythe gehören sollen; die Formulierung des Vertrags zwischen den Hochschulen; die Vorlage im Senat. Aber noch in diesem Jahr sollen sich bereits die ersten Tanzinteressierten für die 25 Studienplätze bewerben können. Unterrichten sollen vier Professoren.