„Die Anhänger der Union sind euphorisch“

Der Meinungsforscher Manfred Güllner analysiert: Angela Merkel muss sich jetzt um die Innenpolitik kümmern

taz: Die Arbeitslosenzahl ist im Januar erstmals seit Amtsantritt der großen Koalition über fünf Millionen gestiegen. Was bedeutet das für die neue Bundesregierung von Angela Merkel?

Manfred Güllner: Durch diese Zahl wird die Phase eingeleitet, in der die Innenpolitik wieder wichtig wird. Die Zahl ist ein Symbol, das Bewusstsein auf die eigentlichen Probleme zu lenken, und die liegen für die BürgerInnen nun einmal nicht in Paris oder Moskau. Bisher war die Kanzlerin ja vor allem außenpolitisch aktiv. Aber nach Einschätzung der Bürger liegen unsere eigentlichen Probleme im Inneren. Etwa bei der Rente oder bei den Arbeitslosen. In diesen Bereichen ist ja noch nicht wirklich etwas passiert.

Ist das Ihrer Ansicht nach der Anfang vom Ende des von manchen beobachteten Merkel-Effekts?

Nicht unbedingt. Die Leute sind schon so schlau und realistisch zu wissen, dass man nicht einfach einen Hebel umlegen kann und dann sind die Arbeitslosen verschwunden. Wenn aber zu den fünf Millionen Arbeitslosen bei den Menschen noch das Gefühl kommt, in der Wirtschaft wird sich nichts verändern, dann kann das Vertrauen in Merkel sinken. Die Zahlen erinnern an die von vor einem Jahr, und das war der Anfang vom Ende der rot-grünen Bundesregierung.

Hat es den, Ihren Zahlen nach, Merkel-Effekt denn überhaupt so gegeben?

Ja, den gibt es. Angela Merkel hat im Augenblick ganz klar einen Sympathieschub. Der bezieht sich vor allem auf persönliche Eigenschaften wie Willenskraft und Vertrauenswürdigkeit. Die werden viel deutlicher wahrgenommen als vor der Wahl. Anders sieht es bei den Kompetenzfragen aus. Da hat sie sich kaum verbessert. Es sind aber diese Kompetenzfragen, an denen sie sich dann messen lassen muss.

Ist die Stimmung zum Thema Arbeit und Aufschwung besser als unter Rot-Grün?

Das schon. Aber die Stimmung ist gespalten. Die SPD-Anhänger sind eher verhalten. Die haben zwei M bekommen, die sie nicht wollten: Merkel als Kanzlerin – und die Mehrwertsteuererhöhung. Jetzt kommt als drittes M noch Müntefering hinzu, der ein höheres Renteneintrittsalter fordert. Die Anhänger der Union hingegen sind euphorisch. Das lässt sich bei denen immer dann beobachten, wenn ihre Partei an der zentralen Macht beteiligt ist und sogar das Kanzleramt bekommen hat. Dann sehen sie auch die wirtschaftliche Situation immer gleich viel positiver und erwarten eine Verbesserung.

Wirkt sich diese Euphorie auf die Konjunktur womöglich positiv aus?

Ob die begeisterten Unions-Anhänger jetzt alle einkaufen, ist eine andere Frage. Wenn die jetzt aber alle das Portemonnaie öffnen würden, würde sich das schon positiv auf den Konsum auswirken.

INTERVIEW: KERSTIN SPECKNER