Bahn will nicht an Deportierte erinnern

Die Deutsche Bahn AG weigert sich, auf Bahnhöfen Fotos von nach Auschwitz deportierten Kindern zu zeigen

„Deportierte jüdische Kinder“ heißt eine Fotoausstellung der französischen Initiative „Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs“, deren Repräsentantin die „Erinnerungsarbeiterin“ und Nazijägerin Beate Klarsfeld ist. Von 2002 bis 2004 war die Ausstellung mit den Bildern jüdischer Kinder kurz vor deren Deportation per Bahn über das Schienennetz der Deutschen Reichsbahn in die Vernichtungslager in 20 französischen Bahnhöfen zu sehen.

Seit Mitte 2003 versucht Klarsfeld, die Fotos auch in deutschen Bahnhöfen zu zeigen – bislang vergeblich. Die Deutsche Bahn AG weigert sich bisher hartnäckig, auch nur einen einzigen Bahnhof für die Ausstellung freizugeben.

Jetzt holte sich Klarsfeld in Saarbrücken schon zum zweiten Mal eine Abfuhr. Dabei haben sich dort inzwischen alle im Landtag des Saarlandes vertretenen Parteien dafür ausgesprochen, die Fotos dort zu zeigen, wo sie auch hingehörten – in den Bahnhof nämlich. Das jedenfalls erklärte jüngst Landtagspräsident Hans Ley (CDU): „Ich würde mich freuen, wenn die Bahn diese wichtige Erinnerungsarbeit im Saarbrücker Hauptbahnhof ermöglichen würde.“

Doch die Bahn AG bleibt auch in Saarbrücken bei ihrer Linie: Keine Präsentation in Bahnhöfen – dafür grünes Licht für die Ausstellung an anderen Orten. In Saarbrücken soll das die Volkshochschule (VHS) sein; ein Vorschlag des saarländischen „Bahnbeauftragten“ Reinhard Klimmt (SPD). Klarsfeld lehnt das konsequent ab.

Zudem hatte Klimmt versäumt, seinen Vorschlag mit der Leitung der VHS abzustimmen. „Die Ausstellung von Beate Klarsfeld gehört in den Bahnhof“, so Hans Horch, der Fachbereichsleiter für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung an der VHS. Er erklärte umgehend seine Bereitschaft, im Bahnhof für die Ausstellung und gegen die sture Haltung der Bahn AG zu demonstrieren – auch mit Klimmt.

Das haben andere schon getan, allerdings immer vergeblich. Zuletzt in der vergangenen Woche im Kölner Hauptbahnhof. 15 graue Koffer mit den Namen deportierter Kölner Juden wurden auf einem grauen Teppich im Bahnhof aufgereiht.

Dass die Reichsbahn der „Logistiker des Holocaust“ war, so die Unternehmenshistorikerin Susanne Kill, räumt die Bahn AG zwar immer wieder ein; alleine aus Frankreich wurden 11.000 jüdische Kinder mit der Reichsbahn nach Auschwitz deportiert. Doch das „Privatunternehmen Deutsche Bahn“ sei eben nicht der Rechtsnachfolger der Reichsbahn, sondern eine aus der Fusion zwischen der Bundesbahn und der Reichsbahn der DDR hervorgegangene neue Firma, so die stereotype Argumentation. Unisono verweist die Bahn AG auf das Eisenbahnmuseum in Nürnberg. Das sei der richtige Ort für die „historische Ausstellung“.

Auf den Bahnhöfen sei bei einer so großen Ausstellung die Sicherheit der Kunden nicht gewährleistet, lautete bislang die Argumentation der Bahn gegen die Fotoausstellung. In Saarbrücken heißt es jetzt plötzlich, dass der Bahnhof ein „unwürdiger Rahmen“ für die Ausstellung sei.

Klarsfeld nennt das alles „Aussitzen“ und kündigte jetzt das „Ende aller Diplomatie“ an: „Wir wollen jetzt mit der Ausstellung in die deutschen Bahnhöfe!“ Zu diesem Vorhaben wollte sich der Bahnsprecher auf Anfrage der taz gestern nicht äußern.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT