Präsident Putin lobt sich selbst

In seiner Jahres-Pressekonferenz zieht Russlands Staatschef eine positive Wirtschaftsbilanz und verteidigt G-8-Vorsitz. Kritik an Auslands-Einfluss auf NGOs

MOSKAU taz ■ Die traditionelle Jahresauftakt-Pressekonferenz von Russlands Präsident Wladimir Putin im Kremlpalast war fast ausgebucht. Mit mehr als tausend Journalisten aus dem In- und Ausland war sie so gut besucht wie nie zuvor. Russlands gleichgeschaltete staatliche TV-Stationen übertrugen den Dialog mit der Presse zwei Stunden lang. Dann wurde abgeschaltet, doch der Präsident nahm sich noch etwas mehr Zeit für die aus den Weiten Russlands angereisten Medienvertreter.

Wer scharfe Frage erwartet, wird bei solchen Veranstaltungen enttäuscht. Verhaltenskodex und Etikette schreiben der inländischen Presse Zurückhaltung und eine gewisse rhetorische Redundanz vor. Putin beherrscht diese Auftritte vortrefflich. Wie aus dem Lehrbuch versetzt er das Publikum in der Vorrede in die geeignete Verfassung zum Zuhören. Wohlwollend, aufmerksam und belehrbar soll der Zuhörer sein, was ihm meist spielend gelingt.

Eingangs widmete sich der Kremlchef den wirtschaftlichen Errungenschaften. „Im Ganzen sind wir mit den Ergebnissen der Arbeit 2005 zufrieden“, resümierte Putin. Russland konnte auf stolze 6,4 Prozent Wachstum im vorigen Jahr verweisen und die wirtschaftliche Dynamik wird sich auch im laufenden Jahr fortsetzen. In seiner sechsjährigen Amtszeit sei Russland gestärkt worden. Die wirtschaftlichen Aspekte rechtfertigten damit die Zugehörigkeit Russlands zum G-8-Klub der führenden Wirtschaftsnationen. Dessen Gipfel trägt Moskau im Juli erstmals aus. Antidemokratische Tendenzen hatten in einigen westlichen Ländern die Frage aufgeworfen, ob Russland mit dem Vorsitz überfordert sei.

Ein selbstbewusster Putin konterte: Russlands Mitgliedschaft sei „absolut organisch“. Als größter Atommacht der Welt stünde ihr der Platz zu. Zugleich verwies der Kremlchef auf die krassen sozialen Unterschiede in der Gesellschaft. Aus eigener Erfahrung hätte Russland daher mehr Verständnis für die Probleme der Entwicklungsländer. Und er fügte hinzu: „Wir wollen doch nicht, dass sich die G 8 in einen Auflauf fetter Kater verwandelt.“

Mit dem G-8-Mitglied Großbritannien liefert sich Moskau derzeit Scharmützel. So will der russische Geheimdienst FSB britische Spione enttarnt haben, die die Menschenrechtsorganisation, das Moskauer Helsinki Komitee, nach Ansicht der Aufklärer als Schirmorganisation nutzen. Der künstlich inszenierte Skandal dient als Begründung, auch die letzten innenpolitischen Kritiker mundtot zu machen.

Um Kollateralschäden und dem Zweifel an Moskaus G-8-Tauglichkeit vorzubeugen, gab sich der Kremlchef milde: Der Vorfall werde keine Auswirkungen auf die bilaterale Kooperation haben. In einem humorigen Anflug meinte der einstige Sowjetspion: So sollen sie doch auf „ihrem Platz in der Residentur bleiben“. Es sei angenehm zu wissen“, dass sie sich unter unserer Kontrolle befinden“. NGOs als Instrumente der Außenpolitik werde man nicht zulassen, „es dürfen nicht Puppenspieler aus dem Ausland die Fäden ziehen“. Abgesehen davon legte der Kremlchef ein flammendes Bekenntnis zu den Kontrollfunktionen zivilgesellschaftlicher Einrichtungen in Staat und Bürokratie ab – wie in einem Rhetorikseminar.

Ausführlich widmete sich Putin der Ukraine, die als Exportland einer „Orangenen Revolution“ gefürchtet wird. Die Anhebung des Gaspreises sei auch für den Westen von Vorteil, meinte er. Mit dem billigen Weiterverkauf von Gas würde Kiew im Westen langfristig Arbeitsplätze gefährden. Dem Zuhörer überließ er es dann, aus dem Bedauern über jüngste illegale Gasabzapfungen und den Bau der nordeuropäischen Gaspipeline eigene Schlüsse zu ziehen.

KLAUS-HELGE DONATH