Importschlager frische Hirschkalbskeule

Der Handel mit Wildfleisch ist ein weltweites Geschäft: Damwild aus Neuseeland und Hasen aus Argentinien. Die Nahrungsgewerkschaft warnt: Der letzte Fleischskandal war nur „die Spitze des Eisbergs“. Experten raten, beim Förster zu kaufen

von MIRJAM MEINHARDT

Wildschweinrücken und Fasanenbrustfilet – seit dem Fleischskandal in Bayern steht auch Wild im Verdacht, Gammelfleisch zu sein. Das bayerische Verbraucherschutzministerium hat eine Rückrufaktion gestartet. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten warnte gestern, der Fall sei nur „die Spitze des Eisbergs“.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass Europas größter Wildverarbeitungsbetrieb, die Berger Wild GmbH in Passau, Haltbarkeitsdaten gefälscht hat. Angebliches Gamsfleisch war nicht immer Gams, und manches Frischfleisch stammte aus der Tiefkühltruhe. Inzwischen hat die Firma ihre Zulassung verloren, auch die Internetseite gibt es nicht mehr. Mit einem Jahresumsatz von 30 Millionen Euro hatte Berger ungenießbare Ware ins In- und Ausland geliefert. Der Wildfleischhandel ist ein weltweites Geschäft.

Schließlich wollen die Deutschen rund ums Jahr Wildfleisch essen. Doch in den heimischen Wäldern ist nicht immerzu Jagdsaison. Zudem reicht das hiesige Wild nicht, um die Nachfrage zu decken. In Deutschland werden pro Jahr und Person etwa 61 Kilo Fleisch gegessen. Davon sind etwa 0,8 Kilo Wild. „Das entspricht rund 50.000 Tonnen“, sagt Casper von der Crone vom Europäischen Verband des Wild-, Geflügel-, Groß- und Außenhandels. Ungefähr 50 Prozent werden eingeführt.

Dabei kommen die importierten Wildschweine hauptsächlich aus Australien, während die meisten Hasen aus Argentinien stammen und das Rotwild überwiegend aus Neuseeland. Die Importware landet in den Supermärkten. Mindestens 60 Prozent des Wilds wird vom Großhändler geliefert. Allerdings ist dieses Fleisch nicht immer „wild“: In Neuseeland etwa wird das Damwild vor allem von Mastfarmen gezüchtet, die Tiere leben auf umzäunten Weiden.Torsten Reinwald vom Jagdschutzverband fürchtet deshalb, „dass die Tiere mit Hormonen und Antibiotika behandelt sein könnten“.

Er empfiehlt: „Grundsätzlich ist es immer das Beste, den Hirschbraten direkt vom heimischen Förster zu kaufen.“ Hauptsaison für Rehe und Hasen ist der Dezember. Ein gutes Geschäft: „Zum Jahresende und zu Weihnachten sitzt das Geld lockerer“, meint ein Wildverkäufer.

Die heimischen Kaninchen oder Hirsche werden nach einem gesetzlichen Abschussplan erlegt. Die jeweilige Jagdbehörde legt fest, wie viele Tiere geschossen werden dürfen, ohne den Bestand zu gefährden. Allerdings gibt es auch in Deutschland landwirtschaftliche Gatterhaltung. Der Infodienst Verbraucherschutz aid schätzt, dass etwa sechs Prozent unseres Wildfleisches von der Weide stammt.

Egal woher die Wildtaube oder das Kaninchen kommen – die Kontrollen müssen verschärft werden. Da ist sich Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CDU) mit dem Verbraucherschützer Matthias Wolfenschmidt von Foodwatch einig. Doch ist Seehofer nicht zuständig: Die Kontrolle unterliegt den Ländern. Die Prüfer werden meist von den Landratsämtern beauftragt, die dann einen der größten Arbeitgeber und Steuerzahler im Kreis überprüfen sollen. Foodwatch fordert deshalb die Lebensmittelprüfer zentraler zu koordinieren. „Kontrolleure dürfen nicht jahrelang für den gleichen Betrieb zuständig sein.“ Zudem sollte es Sanktionsmöglichkeiten geben. „Oft können Prüfer nur Verwarnungen aussprechen“, beklagt Wolfenschmidt. „Bis ein Unternehmen geschlossen wird, muss Dramatisches passieren.“ Außerdem müsse mehr Transparenz herrschen. „Wenn überall öffentlich einzusehen wäre, wer unsauber arbeitet, dann wäre das schon eine Abschreckung.“