„Kennedys Hirn“

Louise Cantor, die Heldin in Henning Mankells neuem Roman „Kennedys Hirn“ (aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt, Zsolnay, Wien 2006, 400 S., 24,90 €) glaubt nicht an den Selbstmord ihres Sohns Henrik. Daher stellt sie Nachforschungen über Henriks Leben an, die sie schließlich nach Maputo in Mosambik führen. Dort unterhält ein reicher weißer Philanthrop aus den USA eine Missionsstation, in der Aidskranke Zuflucht finden. Wie zuvor ihr Sohn erkennt auch Louise, dass sich hinter der vermeintlich wohltätigen Einrichtung in Wahrheit eine Forschungseinrichtung verbirgt, in der grausame Experimente an gesunden und kranken Afrikanern durchgeführt werden. Doch wie ist zu belegen, dass die Pharmaindustrie die am HI-Virus erkrankten oder von ihm bedrohten Menschen auf der Suche nach einem Heilmittel ausbeutet und damit ungeheure Gewinne macht? Verstünde er, so hoffte Henrik, wie verschleiert wurde, dass John F. Kennedys Gehirn nach der Obduktion spurlos verschwand, verstünde er auch, wie die Machenschaften in Afrika unentdeckt bleiben können.

Mankell hat mit „Kennedys Hirn“ einen spannenden Roman geschrieben. Allerdings krankt dieser daran, dass Mankell Afrika zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, bekannten Verschwörungstheorien dafür umso mehr; etwa der Stasi-Legende, Aids sei eine Erfindung des US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplexes. An sich, möchte man meinen, ist der Umgang mit Aids in Afrika Skandal genug, um die Profiteure aus Industrie, Politik und Religion zu benennen. Ihnen nutzt der Roman von den Geheimverliesen entgegen den Absichten Mankells, ist er doch viel attraktiver als die Tatsache der elenden Gesundheits- und Entwicklungspolitik in Afrika, von der er mit so viel Spannung ablenkt. „Kennedys Gehirn“ wird da zu einem zweideutigen Titel. WBG