Studienplatzbesetzungen bald voll im Trend

Die Universität als absurdes Theater: Anmerkungen zu einem Ort, der eine Trutzburg der Rationalität sein sollte – in dem es derzeit aber leider von Grotesken wimmelt

Der junge Mann will seine Rede zu dem eigentlichen Problem führen, um das es an den deutschen Hochschulen heute gehe. Er beginnt mit London und seiner dortigen Cousine, die gerade ein Lehrerstudium abgeschlossen habe. Wegen der Studiengebühren müsse sie ihren Job mit 16.000 Euro Schulden beginnen. „Das ist nicht die Zukunft, wie wir sie uns vorgestellt haben“, ruft er sodann in den Senatsaal der Berliner Humboldt-Universität hinein. Applaus umfängt ihn.

Jedoch: falscher Ort, falsche Zeit. Berlin ist nicht London, und gesprochen hat gar kein Student, sondern ein Ehemaliger, der sich zum Zwecke öffentlicher Empörung noch einmal an den Ort seiner Ausbildung zurückbegeben hat. Er prangert etwas an, worüber über zehn Jahre lang mit gutem Recht diskutiert worden war. Nur ist das Thema mittlerweile entschieden. Das höchste Gericht hat gesprochen und allerorten werden Studiengebühren bereits eingeführt.

Ein Missverständnis liegt in dem Irrglauben, dass die Hochschule der Ort der Rationalität sei. Die Universität und der Diskurs über sie sind keinesfalls rational. Die Universität heute ist absurdes Theater. Sie hat die Einheit von Ort und Zeit verloren, gegeben wird ein Theater ohne Handlung. Die Beteiligten, die oft gar keine mehr sind, warten auf irgendetwas; worauf, das wissen sie nicht.

Der Diskurs über Hochschulen ist eine Ansammlung von Grotesken, für deren Darbietung man in einem Theater viel Eintritt bezahlen müsste. Der abgetretene Präsident des Wissenschaftsrats zum Beispiel, Max Karl Einhäupl, ein hoch dekorierter Wissenschaftler, hat gerade mitgeteilt, er halte am Ausbau der Fachhochschulen (FH) fest. Gut, das wäre richtig, und es gab in der Tat vor über zehn Jahren einen solchen Beschluss. Nur hat ihn nie jemand befolgt. Der Anteil der FH-Studienanfänger bewegt sich seit dem Beschluss nicht über das Drittel an Neustudierenden hinaus, den er schon immer ausmachte.

Seit Jahren schon spricht man auch über die Ausweitung der Mittel in Bildung und Wissenschaft. Als Messzahl dafür wird stets mit großer Geste der Anteil der Ausgaben am öffentlichen Gesamthaushalt angeführt. Nur sinkt dieser Anteil seit den 70er-Jahren beständig, von damals 3,5 Prozent auf inzwischen deutlich unter 3 Prozent.

Beispiele dieser Art lassen sich mühelos aneinander reihen. Gerade machen etwa Prognosen die Runde, dass die Zahl der Studierenden sich in wenigen Jahren deutlich erhöhen wird. Gut 2 Millionen sind es heute, in sechs Jahren sollen es bereits über 2,3 Millionen sein. Demografen wie Demokraten, Ökonomen nicht anders als Zukunftsforscher beklatschen diesen Zuwachs an Studierenden. Und die Politik wird nicht müde, einen Hochschulpakt zu versprechen, der diesen Studierenden auch Studienplätze verschaffen werde. Allein verspricht ebendiese Politik auch, unter keinen Umständen Geld des Bundes dafür zu verwenden. Erst gestern leistete etwa Bayerns Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) im bayerischen Kabinett quasi einen Eid darauf, allfällige Einmischungen des Bundes zu unterbinden. Nur ist der Bund der Einzige, der einen Hochschulpakt finanzieren könnte.

Was, das ist die Frage, wird eine heute zum schnelleren Ablegen des Abiturs verführte Jugend tun, wenn sie morgen die versprochenen Studienplätze nicht bekommt? Man kann nur hoffen, dass sie sich diese Studiermöglichkeiten einfach nimmt, dass sie kurzerhand die Hausbesetzungen der 80er-Jahre auf die Universitäten der 2010er-Jahre anwendet. Dies zu tun, wäre das Letzte, was die Trendforscher dieser Jugend nachsagen. Es wäre also etwas ganz und gar Irrationales und damit – passend zu einem Ort der irrationalen Debatten – genau das Rationale. CHRISTIAN FÜLLER