Senator im Amt ohne Würden

Die letzte Warnung: Bürgermeister Ole von Beust zeigt seinem Justizsenator Roger Kusch die gelbe Karte. NachfolgerInnen werden bereits genannt. Kusch zeigt sich zerknirscht und unbelehrbar zugleich: Er zweifelt am Sachverstand der CDU

Von Marco Carini

Die Demontage geht weiter. „Roger Kusch ist nicht mehr lange zu halten“, glaubt ein Mitglied der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Am Tag nach dem großen Knall um Kuschs Alleingang beim Jugendstrafrecht (taz berichtete) ist der Justizsenator zwar noch im Amt, doch ohne Würden. Abgeordnete aus den Reihen der Union versuchen, dem angeschlagenen Senator gezielt politische Sterbehilfe zu leisten: Kusch sei „beratungsresistent und überhaupt nicht teamfähig“, wird hinter vorgehaltener Hand kolportiert. Ein CDU-Mann klagt: „Das ist ein politischer Autist.“

Doch um einen Sofort-Rausschmiss des Senators geht es – zumindest dem Bürgermeister – nicht. Noch nicht. Die Schelte, die Ole von Beust am Dienstag vor dem versammeltem Senat an seinen Studienfreund verteilte, will der Regierungschef als letzte Warnung verstanden wissen. Die Botschaft der gelben Karte, die von Beust Kusch zeigte: Noch ein Foul gegen die eigene Fraktion, dann ist das Spiel endgültig vorbei.

Dass selbst CDU-Fraktionschef Bernd Reinert Kusch öffentlich schalt, zeigt, dass der Justizsenator gezielt unter Druck gesetzt werden soll. Reinert – ansonsten kein Freund markiger Worte – wagt sich niemals aus der Deckung, ohne sich zuvor beim Bürgermeister Ole von Beust rückversichert zu haben.

Kusch, so viel ist klar, hat sich in der CDU vollständig isoliert. Längst wird über seine Nachfolge spekuliert. Von interessierten Kreisen werden die Namen der rechtspolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, Viviane Spethmann und des Justiz-Staatsrates Carsten Lüdemann für das Amt ins Gespräch gebracht. Es geht – so scheint es – nur noch um den Zeitpunkt des Abgangs eines Senators auf Abruf. Denn in der Union kursiert die Angst, dass die Eskapaden des politischen Hardliners noch zunehmen könnten.

Denn im Berliner Koalitionsvertrag beschloss die neue Bundesregierung, im Rahmen der geplanten Föderalismusreform den Bundesländern in der Justizpolitik und bei der Ausgestaltung des Strafvollzuges weitgehend freie Hand zu lassen. Kusch bekäme mehr Kompetenzen, mehr Macht und damit mehr Spielraum für neue Skandale. Gewinnt die Justizbehörde durch die geplante Reform an Einfluss – so wünschen sich viele Unions-Funktionäre – solle Kusch nicht mehr mit an Bord sein.

Kusch aber scheint die letzte Warnung noch immer nicht verstanden zu haben. In die Defensive gedrängt gibt er alles, um sich um Kopf um Kragen zu reden. Statt sich bei der Fraktion, wie von deren Parlamentarischem Geschäftsführer Klaus-Peter Hesse gefordert, offiziell für seinen letzten Alleingang „zu entschuldigen“, wählt der Senator die Vorwärtsverteidigung. Zwar räumt er ein, „Fehler in der Kommunikation“ gemacht zu haben, doch nur, um diese Selbstbezichtigung gleich wieder zurückzunehmen.

Die Themen seiner Vorstöße – Sterbehilfe und Abschaffung der Jugendgerichte – seien „viel zu komplex, als dass sie einer Vorab-Zustimmung in den Partei- und Fraktionsgremien zugänglich wären“, rechtfertigte er gestern in der Bild seine Alleingänge und zweifelte damit massiv den Sachverstand seiner Kritiker an. Gleichzeitig nahm er das Recht für sich in Anspruch, weiterhin unabgestimmt mit seinen Lieblingsthemen auf den Markt der Meinungen zu gehen: „In einer großen Volkspartei darf es keine Denkverbote geben.“ Lernfähigkeit sieht anders aus.

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