Abschiebung ins Ungewisse

Mecklenburg-Vorpommern schiebt nach Togo ab, obwohl die Lage in dem Land alles andere als stabil ist und Menschenrechtsverletzungen anhalten. Eine Einzelfallprüfung hat keine Chance, auch Hungerstreik ist erfolglos

Deutschlands Innenminister sind aus berufsbedingten Gründen positiv denkende Menschen. Sie erwarten nie das schlimmste, sondern stets das beste. Zum Beispiel, wenn es um Abschiebungen in Staaten wie das westafrikanische Togo geht, die sich zwar auf den Weg zu einem demokratischen Staat gemacht haben, mehr aber auch nicht. Kann sein, dass man gefoltert oder ermordet wird, kann sein, dass man davon kommt. Fakt ist: Man weiß es erst, wenn es zu spät ist.

Anani Komi Adzrakou kann deshalb schlecht schlafen. Er hat Kopf-, Bauch und Brustschmerzen, wie er gestern Mitarbeitern der Flüchtlingsinitiative „Die Karawane“ sagte, die ihn in der Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Bützow, Mecklenburg-Vorpommern, besuchten. Adzrakou befürchtet, dass ihm dasselbe passiert wie seinem Landsmann und ehemaligen Mitinhaftierten Alassane Moussbaou, der in der Nacht zum Dienstag aus der JVA abgeholt und über Paris nach Togo ausgeflogen wurde. Beide hatten versucht ihre Abschiebung mit einem Hungerstreik zu verhindern – aus Angst vor Repressalien und Folter wegen ihrer Opposition gegen das Einparteien-Regime. Doch das hatte ebenso wenig genutzt wie Proteste von Flüchtlingsorganisationen oder das Gesuch des Landtags-Petitionsausschusses an den Innenminister, bis zum letztmöglichen Termin, dem 30. April 2006, zu warten.

Dann wäre voraussichtlich auch Moussbaous Asylverfahren abgeschlossen gewesen, sagt seine Anwältin Daniela Noetzel. Sie zeigte gestern wenig Verständnis für den Verlauf der Abschiebung. So sei sie erst auf mehrfaches Nachfragen über den Vorfall informiert worden – obwohl ihr das Landesamt für innere Verwaltung noch zwei Wochen zuvor zugesichert hatte, dass ihr Mandant erst im April abgeschoben werden solle und sie rechtzeitig benachrichtigt würde. Noetzel erinnerte daran, dass die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen, der UNHCR, empfiehlt, Asylsuchende nicht abzuschieben, solange die Menschenrechtsverletzungen anhalten und die politische Lage in Togo instabil ist. Sie wies außerdem darauf hin, dass Moussbaou um drei Uhr nachts aus dem Bett gerissen und zwei Stunden später von der Polizei abgeholt worden sei. In Schleswig-Holstein sei das anders, dort würde in der Regel auf nächtliche Abschiebungen verzichtet.

Bernd Fritsch, Sprecher des mecklenburgischen Innenministeriums, erklärte die frühe Uhrzeit mit der Abflugzeit um 9.55 ab Berlin-Tegel. Dass die Anwältin nicht vor der Abschiebung informiert worden war, sei nicht den Behörden anzulasten. „Es gibt dazu keine Verpflichtung.“ Auch werde Mecklenburg-Vorpommern – wo ein Großteil der togoischen Flüchtlinge in Deutschland lebt – an den Abschiebungen nach Togo festhalten. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes und der Verwaltungsgerichte, die Klagen von abgelehnten Asylbewerbern bearbeiten, hätten die Rückkehrer nichts zu befürchten.

Die PDS, die in Mecklenburg-Vorpommern mit der SPD regiert, kritisiert diese Haltung. Innenminister Gottfried Timm (SPD) sei vom Petitionsausschuss dazu aufgefordert worden, die Abschiebung hinauszuzögern, so dass der Fall von Alassane Moussbaou hätte geprüft werden können. Eiken Bruhn