Kein Hotelbett mehr für Europäer

Während eine dänische Delegation im Nahen Osten die Gemüter beruhigen soll, drohen militante Palästinenser Dänen, Deutschen und Franzosen

„Die Boykottaufrufe gründen auf Übertreibung und nicht auf Logik“

VON BEATE SEEL

Die dänische Regierung will mit einer diplomatischen Offensive auf die Boykottaktionen und Drohungen in arabischen Ländern reagieren. Wie die saudische Zeitung Arab News gestern berichtete, forderte sie Vertreter der muslimischen Gemeinschaft auf, sich einer Delegation anzuschließen, die die aufgeregten Gemüter im Nahen Osten wieder beruhigen soll.

Die Regierung befürchtet eine Ausweitung der Boykottaktionen, nachdem mehrere europäische Zeitungen die umstrittenen Karikaturen des Propheten Mohammed nachgedruckt hatten. Außenminister Per Stig Möller argumentierte in der Zeitung Börsen, damit werde die Aufmerksamkeit auch in Länder getragen, aus denen bisher keine Proteste gegen die Zeichnungen gekommen seien.

Die dänische Zeitung Jyllands-Posten hatte Ende September zwölf Karikaturen unter der Überschrift „Die Gesichter Mohammeds“ veröffentlicht. Sie zeigten unter anderem einen Propheten mit einem Turban in Form einer Zeitbombe. Nach einer neuerlichen Bombendrohung musste Jyllands-Posten am Mittwochabend ihre Büros in Århus und in Kopenhagen vorübergehend räumen.

Der dänische Imam Fatih Alev sagte gegenüber Arab News, die Muslime des Landes seien aufgefordert worden, bei der Delegationsreise klarzustellen, dass die dänische Regierung keine Kontrolle über die Medien des Landes habe. „Nun ist es Zeit, deutlich zu machen, dass die Zeitung sich für die Veröffentlichung der Karikaturen entschuldigt hat und es ihr nicht klar war, wie sensibel dieses Thema für Muslime ist“, sagte Alev. „Jetzt weiß jeder genau, dass es keine unbegrenzte Ausdrucksfreiheit gibt.“

Militante Palästinenser in Nablus im Westjordanland drohten unterdessen mit der Entführung von Europäern. Ein Sprecher der Al-Akasa-Brigaden sagte gegenüber AP, Mitglieder seiner Organisation durchsuchten Wohnungen im Autonomiegebiet. Hotelbesitzer seien aufgefordert worden, Staatsbürgern aus fünf europäischen Ländern, darunter Dänemark, Deutschland und Frankreich, keine Unterkunft zu gewähren. In Gaza forderten Mitglieder der Brigaden die Schließung von EU-Vertretungen. Etwa 50 maskierte und mit Schnellfeuergewehren und Panzerfäusten bewaffnete Männer seien am Vormittag in den Vorgarten des EU-Büros in Gaza eingedrungen und hätten Schüsse abgegeben, wie Augenzeugen berichteten. Die Bewaffneten erklärten, das Gebäude sei bis zu einer Entschuldigung geschlossen. Am späten Vormittag hätten sie ihre Aktion beendet. Norwegen schloss nach Drohungen seine Vertretung in Al-Ram im Westjordanland für den Publikumsverkehr.

Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak warnte gestern vor unabsehbaren Folgen des Streits. Gegenüber der Nachrichtenagentur Mena sagte er, auf die verletzten Gefühle der Muslime müsse mit einem verantwortungsvollen Krisenmanagement reagiert werden. Ansonsten könne es sein, dass die Affaire „den Kräften des Radikalismus und des Terrorismus“ neue Vorwände liefere. Meinungs- und Pressefreiheit könne man nicht als Entschuldigung für die Beleidigung der Religion benutzen.

Neben zahllosen Kommentaren in der arabischen Presse, die die Veröffentlichung der Karikaturen geißeln und zu Boykottaktionen aufrufen, gibt es auch einige wenige andere Stimmen. So hieß es gestern in der im Golfstaat Bahrain erscheinenden Zeitung Akbar al-Chalidsch: „Es gibt zahlreiche Aufrufe in der arabischen Welt, die Beziehungen zu Dänemark abzubrechen, und einige Länder haben bereits ihre Botschafter zu Konsultationen zurückgerufen. Diese Aufrufe gründen sich eher auf Übertreibung und Aufmüpfigkeit als auf Motive und Logik.“ Ein Gewinner der Affaire sind saudische Medien: Dort beeilen sich zahllose Firmen, Anzeigen zu schalten, aus denen hervorgeht, dass sie keine dänischen Produkte verkaufen.