Senat ist bald allein zu Haus

SPD und Linke attackieren den eigenen Senat. Der billigt den Verkauf von bis zu 15.000 landeseigenen Wohnungen der WBM. Die Parlamentarier fordern ein Sanierungskonzept

VON MATTHIAS LOHRE

Der geplante Verkauf von bis zu 15.200 Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) sorgt für heftigen Streit zwischen den Koalitionsfraktionen und dem Senat. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD) wollen die Veräußerung der Immobilien in Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg durchsetzen. SPD-Landes- und -Fraktionschef Michael Müller kann sich sogar den Verkauf des gesamten hoch verschuldeten Unternehmens vorstellen. SPD und Linkspartei werfen der Landesregierung vor, eigenmächtig am Parlament vorbei zu entscheiden.

Dem Verkauf von mehr als der Hälfte der 29.000 WBM-Wohnungen stellt sich die Linkspartei entgegen: „Ohne ein tragfähiges Sanierungskonzept, das der Koalition vorgestellt wurde, sind Verkäufe in dieser Größenordnung mit uns nicht zu machen“, sagt Stadtentwicklungs-Expertin Jutta Matuschek. Bislang habe der Senat die ParlamentarierInnen übergangen. Immer wieder habe die Landesregierung Höchstgrenzen für die Zahl zu verkaufender Wohnungen genannt – nur um diese wenig später zu übertreffen. Zuletzt war von höchstens 10.000 zu verkaufenden WBM-Immobilien die Rede gewesen.

Mitglieder der Fraktionen von Linkspartei und SPD verweisen auf einen gemeinsamen Beschluss vom Frühjahr 2004: Demnach müsse das Land mindestens 15 Prozent aller Berliner Wohnungen halten, so die Abgeordneten, um noch Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung von Kiezen und Bezirken nehmen zu können. Das entspricht laut Matuschek 270.000 Wohnungen. Selbst ohne die jetzt bekannt gewordenen Verkäufe rutsche der kommunale Bestand unter diese Grenze, rechnete vor wenigen Tagen der bau- und wohnungspolitische SPD-Sprecher Bernd Schimmler vor. Derzeit halten die sechs kommunalen Unternehmen 275.000 Wohnungen.

Die SprecherInnen von Stadtentwicklungs- und Finanzverwaltung, Manuela Damianakis und Matthias Kolbeck, machten eine andere Rechnung auf. Oberstes Sanierungsziel bleibe es, möglichst mit dem zuvor geplanten Verkauf von 10.000 Wohnungen auszukommen. Die Zahl von 15.200 Wohnungen sei die absolute Grenze. „Finanzsenator Sarrazin geht davon aus, dass diese Obergrenze nicht ausgeschöpft werden muss“, sagte Kolbeck. Nicht zuletzt wegen der derzeit hohen Immobilienpreise in der Stadt. Zudem überschätzten die Abgeordneten den Einfluss des Senats auf Aufsichtsräte landeseigener Unternehmen, sagte Sarrazins Sprecher.

Die WBM steckt seit Jahren in der Krise. Bis Ende 2004 hatte das Unternehmen mehr als 1,2 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Auf den klammen Landeshaushalt drücken dadurch 56 Millionen Euro Zinsen pro Jahr. Zur extremen Schieflage des einstigen „VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-Mitte“ haben auch verfehlte Großprojekte wie die Sanierung des „Hauses des Lehrers“ und der Bau der Rathauspassagen nahe dem Alexanderplatz beigetragen.

Kritik am Vorgehen des Senats kommt auch von der Grünen-Fraktion. „Eine sozialpolitisch verantwortungsvolle Verteilung von Einkommensschwachen und Obdachlosen“ sei künftig kaum mehr möglich, urteilten Barbara Oesterheld und Claudia Hämmerling.

Vertreter von CDU- und FDP-Fraktion warfen Sarrazin eine Verschleierung der katastrophalen Situation des landeseigenen Unternehmens vor. Hartmann Vetter vom Berliner Mieterverein sieht jetzt die Exekutive in der Pflicht: „Nur der Senat kann etwas ändern.“